Proteine I Mit Kohlendioxid als Rohstoff stellt Econutri aus Graz in einem Bioprozess Proteine her. Dabei nutzt das Unternehmen mit grüner Energie erzeugten Wasserstoff. Die speziellen Mikroorganismen dafür züchtet Econutri im unternehmense...
Gefahrguttransport
Von Tallin bis Lissabon
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Um gefährliche Güter auf der Straße über Grenzen hinweg transportieren zu können, ohne dass sich dabei die Gesetzeslage ändert, gibt es seit 66 Jahren ein internationales Übereinkommen. Was es enthält und wann es angewendet werden muss.
Im Jahr 1957 wurde unter der Schirmherrschaft der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (United Nations Economic Commission for Europe, Unece) das ADR beschlossen: Abkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (Agreement concerning the International Carriage of Dangerous Goods by Road, ADR). Dem Übereinkommen haben sich mittlerweile 54 Staaten angeschlossen. Zu diesen gehören nicht nur Länder Kontinentaleuropas, sondern auch asiatische Staaten wie Kasachstan und Aserbaidschan sowie Marokko, Nigeria und seit August 2022 Uganda.
Innerhalb aller ADR-Vertragsstaaten werden die Regeln gleichermaßen umgesetzt, sodass es möglich ist, Gefahrgut von Umeå bis nach Marrakesch zu transportieren, ohne dass sich die Gesetzeslage ändert. Neben dem ADR gibt es weitere Übereinkommen, die den Transport gefährlicher Güter mit anderen Verkehrsträgern regeln, etwa den Schienen-, Binnenschifffahrts-, Seeschifffahrts- und Luftverkehr.
Gesetze und Verordnungen
Das internationale ADR-Regelwerk wird durch Gesetze und Verordnungen in deutsches Recht überführt. Namentlich sind dies:
Es ist erforderlich, Gefahrgüter von Gefahrstoffen abzugrenzen. Die Begriffe bedeuten nicht das Gleiche. Gefahrstoffe sind jedem Chemiker und jeder Chemikerin seit den ersten Tagen im Labor geläufig. Ersichtlich ist der Unterschied zu Gefahrgütern etwa anhand der unterschiedlichen Piktogramme (Abbildung oben).
Gefahrgüter definiert der Gesetzgeber folgendermaßen: „Gefährliche Güter im Sinne dieses Gesetzes sind Stoffe und Gegenstände, von denen aufgrund ihrer Natur, ihrer Eigenschaften oder ihres Zustands im Zusammenhang mit der Beförderung Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere für die Allgemeinheit, für wichtige Gemeingüter, für Leben und Gesundheit von Menschen sowie für Tiere und Sachen ausgehen können.“ (Paragraf 2 Absatz 1 GGBefG).
Beispiel Lithiumionenakkus
Die Unterscheidung anhand der transportspezifischen Gefahren eines Gefahrguts und der umgangsspezifischen Gefahren eines Gefahrstoffs ist den meisten Personen nicht geläufig. Daher wiederholen Gefahrgutbeauftragte immer wieder:
„Nicht alle Gefahrstoffe sind Gefahrgüter und nicht alle Gefahrgüter sind Gefahrstoffe.“
Ein typisches Beispiel für die Unterscheidung von Gefahrgut und -stoff ist ein Lithiumionenakku. Dieser ist ein Gefahrgut, da bei einem transportbedingten Unfall davon eine besondere Gefahr ausgeht. Er ist aber kein Gefahrstoff, da bei einem sachgemäßen Umgang keine Gefahr für Verwender zu erwarten ist.
Richtig verpackt
Alle Gegenstände und Stoffe, auf die die Definition in Paragraf 2 Absatz 1 GGBefG zutrifft, also alle Gefahrgüter, müssen besondere Anforderungen erfüllen, bevor sie rechtskonform transportiert werden. Das übergeordnete Ziel ist dabei stets, bei einem Unfall Gefahren von Mensch und Umwelt abzuwenden.
Dazu werden besondere Anforderungen an die Verpackung gestellt. So dürfen mit wenigen Ausnahmen nur Verpackungen verwendet werden, die von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung oder von deren zertifizierten Stellen geprüft wurden. Dabei muss die Verpackung entsprechend des Gefahrguts, seiner Eigenschaften und Gefährlichkeit ausgewählt und verwendet werden. Die Verpackung muss entsprechend ihres Inhalts mit allen Kennzeichen und Gefahrzetteln versehen sein. Außer den Gefahrzetteln (Abbildung links) sind bei Bedarf Ausrichtungspfeile oder das „Fisch+Baum-Symbol“ anzubringen.
Wichtig ist zudem die von den Vereinten Nationen festgelegte UN-Nummer. Sie wird nicht nur für einzelne chemische Verbindungen vergeben, sondern auch für Stoffgruppen und sonstige Güter mit Gefährdungspotenzial. Dazu muss das Unternehmen das Gefahrgut klassifizieren, das es transportieren will. Ist für das Gut keine UN-Nummer bekannt, lässt es sich über Teil 2 des ADR anhand definierter Kriterien einstufen.
Die Klassifizierung muss das Gefahrgut möglichst vollständig beschreiben. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass es hin und wieder keine eindeutige Zuordnung gibt. Im Zweifelsfall ist dann von der höchsten Gefahr auszugehen.
Ebenso sind beim Transport diverse Gegenstände mitzuführen, etwa Feuerlöscher, eine Schaufel oder persönliche Schutzausrüstung wie Atemschutzmaske oder Augenspülflüssigkeit.
Verladen
Rechtlich verantwortlich dafür, dass alle Punkte überprüft sind, ist der oder die Verlader:in. Das ist die Person, die das Gefahrgut an die Spedition übergibt. Die richtige Verpackung, das Anbringen von Kennzeichen und Gefahrzettel sowie die Einstufung und die mitzuführende Ausrüstung sind lediglich einige Beispiele, die erfüllt werden müssen.
Erfahrungsgemäß reagieren Mitarbeiter:innen resigniert, wenn eine Schulung zum Gefahrgutrecht sie erstmals mit der Menge an Anforderungen konfrontiert. Das ADR muss daher differenziert betrachtet werden: Es gelten nur die Regeln, die für die jeweilige Produktpalette und die Versandarten eines Unternehmens erforderlich sind. Dies reduziert die Zahl der relevanten Regeln. Die rechtliche Verantwortung, die mit den Vorschriften einhergeht, besteht allerdings ausnahmslos fort, sodass Mitarbeitende für Verstöße persönlich belangt werden können. Beispiele sind zwei Paragrafen des GGBefG:
Paragraf 10 – Verstöße werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet und können mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 50 000 Euro belegt werden.
Paragraf 11 – Wer Ordnungswidrigkeiten beharrlich und vorsätzlich wiederholt, kann mit Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr bestraft werden.
Freistellung
Neueinsteigende könnten meinen, dass sie keine Regeln zu befolgen haben, da sie Gefahrgüter in ihrem Verantwortungsbereich nur in kleinen Mengen versenden. Im Gefahrgutrecht gibt es jedoch keine Mindermengen. Sobald ein Gefahrgut transportiert wird, unterliegt der Transport dem Gefahrgutrecht, und die Regeln des ADR müssen angewendet werden. Allerdings sieht das ADR Freistellungen vor. Diese sind jedoch nicht universell für jedes Gefahrgut anwendbar und setzen voraus, dass bestimmte Anforderungen für den Transport erfüllt werden.
Eine solche Freistellung ist bei bestimmten Gütern zum Beispiel die „begrenzte Menge“. Darf diese Freistellung angewendet werden, muss das Unternehmen zwei Anforderungen erfüllen: Es muss den Beförderer darauf hinweisen, wie viel von welchem Gefahrgut er transportieren wird, und dies nachweisbar. Zudem muss das Unternehmen eine zusammengesetzte Verpackung verwenden (Abbildung oben links).
Eine zusammengesetzte Verpackung sind Innenverpackungen wie Gebinde mit Chemikalien oder Verkaufsverpackungen, die in eine Außenverpackung (Transportverpackung) eingestellt sind. Beim Versand in begrenzter Menge muss die Außenverpackung geeignet und wie in Abbildung oben rechts gekennzeichnet sein.
Die umfangreichen Regeln und Maßnahmen sollen Gefahrguttransporte sicher gestalten und im Fall einer Havarie Schäden für Mensch und Umwelt verhindern oder zumindest reduzieren. Nur wenn alle am Transport beteiligten Personen wissen, wie sie die Vorschriften umsetzen müssen, ist eine Beförderung sicher.
Der Autor
Patrik Berg ist Gefahrgutexperte bei TÜV Nord Umweltschutz. Das Unternehmen stellt unter anderem die gesetzlich vorgeschriebenen Gefahrgutbeauftragten für andere Betriebe. Als externer Gefahrgutbeauftragter unterstützt Berg Unternehmen dabei, Gefahren vorzubeugen und gefahrgutrelevante Prozesse zu optimieren. Er promovierte in organischer und makromolekularer Chemie. pberg@tuev-nord.de
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