Bildung + Gesellschaft

<p>Kurioses, Erstaunliches, &Uuml;berraschendes &mdash; was vor 50 Jahren in den &bdquo;Nachrichten aus der Chemie&ldquo; stand, die damals noch &bdquo;Nachrichten aus Chemie und Technik&ldquo; hie&szlig;en.</p>

Vor 50 Jahren

<h2>Agent Orange in Vietnam</h2><p>Im ersten Juli-Heft berichteten die Nachrichten aus Chemie und Technik auf fast zwei Seiten (mit – damals noch ungewöhnlich – Foto) über die Folgen des Herbizideinsatzes im Vietnamkrieg. Das Foto zeigt einen US-Soldaten nach einer Entlaubungsaktion in den Soui-Cat-Bergen:</p><div><img src="https://media.graphcms.com/10oQUXQUQ2i57cEmDiAD">

</div><p></p><p>Die US-Organisation Society for Social Responsibility hatte zwei Zoologen nach Vietnam geschickt, die danach die Ergebnisse ihrer Feldstudien an Tieren in Science publizierten. Die Nachrichten fassten zusammen:</p><div><img src="https://media.graphcms.com/zsQSYhrETjGNGtjwpsyp">

</div><p></p><p>GDCh-Mitglieder können den vollständigen Bericht aus dem Jahr 1970 sowie alle alten Ausgaben der Nachrichten lesen unter <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.gdch.de/nachrichten" target="_blank">www.gdch.de/nachrichten</a></ext-link> und „mygdch“.</p>

Meldung

Agent Orange in VietnamIm ersten Juli-Heft berichteten die Nachrichten aus Chemie und Technik auf fast zwei Seiten (mit – damals noch ungewöhnlich – Foto) über die Folgen des Herbizideinsatzes im Vietnamkrieg. Das Foto zeigt einen US-Soldaten nach einer Entlaubungsaktion in den Soui-Cat-Bergen:...

<p>Wie forschen Chemiker, wenn sie nicht ins Labor dürfen? Analytiker und Anorganiker, Doktoranden und Professoren, Nachwuchsgruppenleiter und Grenzgänger über ihren Umgang mit Infektionsschutz, Zoom-Meetings sowie den Spagat zwischen Heimarbeit und Kinderbetreuung.</p>
<p>Die Versuche, die Ausbreitung des Coronavirus Sars-Cov-2 zu stoppen, veränderten die Welt der Wissenschaft: Tagungen fielen aus, Masterstudenten recherchierten länger Literatur, als ihnen lieb war, Doktoranden schrieben ihre Arbeiten früher zusammen als geplant. Statt Experimenten widmeten sich Wissenschaftler Publikationen und Anträgen. Und nach Aufhebung der Beschränkungen läuft der Forschungsbetrieb noch anders als gewohnt. Mund-Nasen-Bedeckung, die jetzt alle in den Instituten tragen, ist dabei nur der kleinste Unterschied.</p><h2>„Nach zwei Wochen im Home Office ist die Arbeit erledigt“</h2><p>Christine Beemelmanns war Visiting Professor an der University of Wisconsin in Madison, als die Covid-19-Pandemie ausbrach. „Eigentlich wollte ich bis Ende Juni bleiben,“ berichtet Beemelmanns. Sie kam Anfang März nur für ein Bewerbungsgespräch nach Deutschland zurück, das dann der Pandemie zum Opfer fiel. In die USA zurückreisen konnte sie nicht. Also setzte sie ihre Arbeit und die Lehre am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena fort, wo sie eine Forschungsgruppe leitet.</p><p>In der Zeit des Lockdowns lief das Institut im Notbetrieb, die Wissenschaft lag brach. „Unsere Forschung ist zu 80 Prozent experimentell,“ sagt Beemelmanns. Literaturrecherche und das Schreiben von Veröffentlichungen konnten die Zeit nicht gänzlich ausfüllen. Die Zoom-Meetings der Arbeitsgruppe dienten in erster Linie dazu, das soziale Leben aufrecht zu erhalten. „Forschung ist das nur in Grenzen“, meint Beemelmanns.</p><p>Als Beauftragte für biologische und chemische Sicherheit hatte sie zwar immer Zugang zum Institut, allerdings konnte sie den wegen fehlender Kinderbetreuung nicht nutzen. Die Folge war Schichtarbeit -- zu Hause wie im Institut.</p><h2>„Wir brauchen genaue Absprachen“</h2><p>„Gerade für Nachwuchswissenschaftler mit kleinen Kindern ist es im Moment echt schwer,“ sagt Maria Wächtler, Arbeitsgruppenleiterin am Leibniz-Institut für Photonische Technologien und an der Universität Jena. Ihre Kinder sind 12 und 15 Jahre alt. Sie konnte daher auch spontan ins Leibniz-Institut fahren, wo – anders als an der Universität – die Laborarbeit nicht vollständig eingestellt wurde. Aber wenn Schulen geschlossen sind oder Unterricht nur eingeschränkt stattfindet, bleibt es den Eltern überlassen, für die Kinder Struktur in den Tag zu bringen und ihnen ein Ansprechpartner zu sein – eine Aufgabe, die sich Maria Wächtler mit ihrem Mann teilt, der ebenfalls Wissenschaftler ist.</p><p>Durch die Arbeit an zwei Standorten sind es Wächtler und ihre Kollegen gewohnt, dass sie nicht ständig nebeneinander sitzen und spontan Daten oder Ergebnisse diskutieren können. Dennoch habe sich jetzt der Organisationsaufwand für die Forschung beträchtlich erhöht. Durch die Abstandsregeln ist nur noch für etwas ein Drittel der Mitarbeiter Platz in den Laboren. „Wir brauchen genaue Absprachen, wer wann an welchen Instrumenten arbeitet, um Überschneidungen zu vermeiden. Früher war dort manchmal ein Kommen und Gehen wie am Bahnhof.“ Wenn heute jemand Messzeit einträgt und nicht in Anspruch nimmt, führt das zu Konflikten.</p><h2>„Erstmals ist Stillstand eingetreten“</h2><p>Seine Doktorarbeit wird sich mindestens ein halbes Jahr verlängern, ist Albert Jonas sicher. Er promoviert in der Arbeitsgruppe von Marco Oetken an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Parallel dazu unterrichtet er Chemie an einem Gymnasium in Bern. Während des Lockdowns nahm Jonas keine neuen Experimente in Angriff und versuchte erst gar nicht, die Landesgrenze zu überschreiten. So hielt er sich an die Vorgaben des Schweizer Bundesrats, zu Hause zu bleiben. Zugang zu den Laboren in der Hochschule war in der Zeit sowieso nicht gegeben.</p><p>Ausgelastet fühlte sich Jonas trotzdem: Sein Unterricht in einer 9. Klasse lief bis Anfang Juni komplett über Microsoft Teams. Dafür erstellte er Erklärvideos, filmte Experimente, konzipierte Arbeitsblätter für das Selbststudium und kontrollierte wöchentlich an die 200 Arbeitsaufträge. „Das alles war unglaublich zeitintensiv“, berichtet er.</p><h2>„Ich konnte die Zeit produktiv nutzen“</h2><p>Dass Fernunterricht Lehrende das Doppelte bis Dreifache der üblichen Vorbereitungszeit kostet, hat auch Florian Kraus erfahren. Kraus, Professor für anorganische Chemie an der Universität Marburg, nahm seine Vorlesung für das Sommersemester auf Video auf, schaute sie sich an, erstellte eine Datei mit Korrekturen, lud das Ganze auf Youtube hoch und verschickte die Links. „Dafür muss man sich erstmal vernünftige Technik anschaffen und sich damit befassen.“</p><p>Dabei bedeutete für ihn die Zeit zunächst einen Gewinn an Produktivität. Als die Universität Marburg den Lehrbetrieb einstellte und die Studenten den Praktikumslaboren fernblieben, hatten seine Doktoranden plötzlich mehr Zeit und Energie für ihre eigene Forschung. Zeitweise durften allerdings nur noch Studierende für ihre Bachelor- und Masterarbeiten ins Labor. Für alle anderen war mobiles Arbeiten von zu Hause aus vorgegeben. „Für einen Professor ist das ohne Probleme möglich“, sagt Kraus. Zeitverzögerungen gab es durch längere Lieferzeiten für Chemikalien und Geräte.</p><p>Inzwischen sind auch wieder Studierende an der Universität. Der Fachbereich hat Masken angeschafft, und im Labor hält Kraus das Arbeiten für unkritisch: „Wir haben einen so hohen Luftwechsel, da ist die Viruslast gering.“</p><h2>„Ohne Labor geht gar nichts“</h2><p>Ein vor Viren sicherer Ort ist auch Björn Meermanns metallfreier Reinraum in der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung BAM, in dem er und seine Mitarbeiter Proben für die Ultraspurenanalytik vorbereiten. Vor der Schleuse in diesen Raum müssen sie nicht nur Mund und Nase bedecken, sondern alles, was Proben kontaminieren könnte.</p><p>Allerdings stand bei der BAM für etwa drei Wochen die Laborarbeit still. Meermann prüfte einmal pro Woche zusammen mit einer Kollegin die Massenspektrometer, sonst blieb er zu Hause. „Für drei Wochen war das in Ordnung,“ berichtet er. Alle waren gut auf mobiles Arbeiten vorbereitet. Aber „irgendwann sind alle Daten ausgewertet und alle Paper geschrieben.“</p><p>Mehr als die Laborarbeit leidet der wissenschaftliche Austausch unter der Pandemie: In Meermanns Arbeitsgruppe hätten drei Studierende aus Barcelona ein Praktikum absolvieren sollen; sie müssen in Spanien bleiben. Und die Gastwissenschaftler aus Australien können nun erst im November kommen.</p><h2>„An Pendeln zwischen Hannover und Wien war nicht zu denken“</h2><p>Georg Steinhauser, Professor am Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der Uni Hannover, wollte mit drei Studenten Mitte März vor Fukushima Proben nehmen. Stattdessen blieb er bis Mitte Juni in Wien, wo er zuhause ist, und unterrichtete seine Kinder, denn auch in Österreich blieben die Schulen zu. Da in Hannover der Laborbetrieb mehrere Wochen untersagt war, sei seine Abwesenheit kaum aufgefallen, vermutet er.</p><p>Österreich hat nun die Reisebeschränkungen gelockert, und Steinhauser kann wieder nach Hannover, um „ein Mindestmaß an Betreuung sicherzustellen.“ Seine Gruppe hat bis dahin weitgehend eigenständig geforscht. Institutsseminare und Promotionsverteidigungen liefen über Zoom. Steinhauser hat „das Gefühl, mittlerweile sämtliche Kommunikationsprogramme, die es auf dem Markt gibt, ausprobiert zu haben“, und hofft, die Erfahrungen damit für die Zeit nach der Krise nutzen zu können.</p><h2>„Jetzt läuft meine Forschung wieder an“</h2><p>Die TU Berlin fuhr den Betrieb komplett herunter, berichtet Johannes Teichert, Juniorprofessor für organische Chemie. „Ich wäre nicht mal in mein Büro gekommen.“ Grundsätzlich findet er den Lockdown in Ordnung. Er befürchtet aber Nachteile für sich und seine Mitarbeiter. Zehn Wochen stand seine Forschung trotz der Arbeit an Publikationen und Abschlussarbeiten still. „Das ist schon dramatisch.“</p><p>Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski befragte die Forscher am einzigen Tag, an dem sie in der Woche im Büro arbeitete. Geschrieben hat sie zu Hause.</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/ACUQiuDTDiNUdDBwtW1I"><figcaption><label>Abb. 1: </label>So ähnlich sah es von Ende März bis Ende Mai in vielen Universitäten und Forschungsinstituten aus: Die Labore blieben leer. Foto: Unique Vision – <a href="https://stock.adobe.com" target="_blank">stock.adobe.com</a></figcaption></figure>


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