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Kurioses, Erstaunliches, &Uuml;berraschendes &mdash; was vor 50 Jahren in den &bdquo;Nachrichten aus der Chemie&ldquo; stand, die damals noch &bdquo;Nachrichten aus Chemie und Technik&ldquo; hie&szlig;en.

Vor 50 Jahren

<h2 type="main">Wasserstoffwirtschaft im Jahr 1972</h2>Die Septemberausgabe der Nachrichten aus Chemie und Technik präsentierte vor 50 Jahren ein Paper aus Science über die Wasserstofferzeugung aus Atomstrom. Der Autor schlug vor, in Atomkraftwerken Wasser elektrolytisch zu spalten, den Wasserstoff zu Verteilerstationen und von dort an Industrie und Haushalte zu leiten. Dort sollten dann Brennstoffzellen wieder Elektrizität daraus erzeugen. Das Wasser, das in der Brennstoffzelle entsteht, könne dann den Trinkwasserbedarf decken. Als ein Hindernis gegen die Umsetzung des Vorschlags nannte er Mangel an elektrochemischen Ingenieuren.<img alt="image" src="https://media.graphassets.com/U5kRPODFRJO3deIziLkq">Mehr Erstaunliches oder Erschütterndes aus den Blauen Blättern von anno dazumal lesen Sie in der GDCh-App: <a href="https://gdch.app/category/vor-50-jahren" target="_blank">gdch.app/category/vor-50-jahren</a>

Vor 50 Jahren in den Blauen Blättern

Wasserstoffwirtschaft

Wasserstoffwirtschaft im Jahr 1972Die Septemberausgabe der Nachrichten aus Chemie und Technik präsentierte vor 50 Jahren ein Paper aus Science über die Wasserstofferzeugung aus Atomstrom. Der Autor schlug vor, in Atomkraftwerken Wasser elektrolytisch zu spalten, den Wasserstoff zu Verteilerstatio...

Schlaglichtthema: Chemie in Europa

Seit November 2021 ist die Molekularbiologin Maria Leptin Pr&auml;sidentin des Europ&auml;ischen Forschungsrats, der bis zum Jahr 2027 &uuml;ber ein Budget von 16 Milliarden Euro aus dem EU- Programm Horizon Europe verf&uuml;gt. Mit den Nachrichten aus der Chemie sprach sie &uuml;ber den Nutzen von Grundlagenforschung, menschliche Neugier und die Reibungen mit der Politik.
Frau Leptin, die Position als Pr&auml;sidentin des Europ&auml;ischen Forschungsrats, ERC, ist eine ausgesprochen politische. Bisher waren Sie vor allem Wissenschaftlerin. Wie gro&szlig; war f&uuml;r Sie die Umstellung?
Politische Arbeit ist nicht neu f&uuml;r mich. Ich war zuvor zw&ouml;lf Jahre Direktorin der European Molecular Biology Organization, EMBO, das war eine &auml;hnliche Position, allerdings mit viel kleinerem Finanzrahmen, nur mit Lebenswissenschaften. Der ERC ist viel politischer, wir sind von der EU abh&auml;ngig, nicht von den einzelnen Mitgliedsstaaten. Insofern sind die Leute anders, mit denen ich rede. Aber das ist positiv, ich lerne viel: Es ist sch&ouml;n, nicht nur den Fokus auf Lebenswissenschaften oder Naturwissenschaften zu haben, sondern das ganze Spektrum der Forschung zu sehen.
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<figcaption><label>Abb.1: </label>Erfahren in politischer Arbeit: Maria Leptin, die Pr&auml;sidentin des Europ&auml;ischen Forschungsrats. Foto: Michael Wodak, Medizin Foto K&ouml;ln</figcaption>
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Sehen Sie es als eine Ihrer Aufgaben, die Forschungsf&ouml;rderung der EU auf eine finanziell sichere Basis zu stellen?
Ja. Aber es gibt auch die nationale Forschungsf&ouml;rderung. Ich selber kann nur f&uuml;r den ERC k&auml;mpfen &ndash; und f&uuml;r das Prinzip der freien Grundlagenforschung. Das ist sehr wichtig.
<h2 type="main">INFO: Der Europ&auml;ische Forschungsrat</h2>
Der Europ&auml;ische Forschungsrat (European Research Council, ERC) ist die Institution der Europ&auml;ischen Union, die Grundlagenforschung f&ouml;rdert. Der ERC wurde im Jahr 2006 gegr&uuml;ndet, um die EU f&uuml;r Wissenschaftler:innen attraktiver zu machen. Seit dem Jahr 2007 gibt der ERC Gelder f&uuml;r Forschungsprojekte, zun&auml;chst stand pro Jahr eine Milliarde Euro zur Verf&uuml;gung, heute sind es mehr als drei Milliarden. Projektmittel erhalten nicht nur Forscher:innen in EU-Mitgliedsstaaten, sondern auch in assoziierten L&auml;ndern. Dazu z&auml;hlen Island, Israel, Norwegen, die T&uuml;rkei und bis einschlie&szlig;lich 2021 die Schweiz.
<a href="https://erc.europa.eu" target="_blank" rel="noopener">erc.europa.eu</a>
Was macht Grundlagenforschung aus Ihrer Sicht erfolgreich?
Nicht jedes Projekt in der Grundlagenforschung ist erfolgreich. Projekte von guten Leuten haben eine gr&ouml;&szlig;ere Chance, erfolgreich zu sein als andere. Die spannendere Frage ist: Was macht Grundlagenforschung wichtig? Ein Standpunkt dazu ist: Es gilt Probleme zu l&ouml;sen, und daf&uuml;r m&uuml;ssen wir Geld zur Verf&uuml;gung stellen. Was aber auch wichtig ist: Wir wissen gar nicht, welche Probleme wir n&auml;chstes Jahr, in f&uuml;nf, zehn oder f&uuml;nfzig Jahren l&ouml;sen m&uuml;ssen. Dazu m&uuml;ssen wir erkennen, wie die Welt funktioniert, und daf&uuml;r brauchen wir Grundlagenforschung. Nur dann k&ouml;nnen wir die Welt, wenn es sein muss, manipulieren, ohne dabei Schaden anzurichten. Das haben wir schon mehrfach gesehen. Die Gefahr durch den Klimawandel haben Grundlagenforscher entdeckt. Grundlagenforscher waren also schon da, bevor wir &uuml;berhaupt wussten, welche Probleme es zu l&ouml;sen gilt.
Also geht es bei erfolgreicher Grundlagenforschung um den Nutzen.
Erfolgreich ist etwas anderes als n&uuml;tzlich. Es gibt erfolgreiche Forschung, die nur die menschliche Neugier befriedigt. Wir finden es toll, wenn Kinder neugierig sind. Forscher sind auch neugierig, nur kostet es mehr Geld. Alle sind begeistert, wenn ein schwarzes Loch entdeckt wird oder wenn das James-Webb-Teleskop Bilder aus dem All sendet. Alle wollen wissen, wie ein Stern entsteht. Dieses Wissen ist streng genommen unn&uuml;tz. All das ist reine Neugier, die &ndash; unter anderem &ndash; der ERC finanziert.
Wie beurteilt der ERC, ob ein Forschungsprojekt erfolgreich war?
Es dauert Jahre, bis Forschung sichtbare Erfolge bringt. Zur Evaluierung greifen wir 250 Antr&auml;ge heraus, die eine unabh&auml;ngige Kommission begutachtet. Einige Mitglieder hatten schon mit dem ERC zu tun, sa&szlig;en zum Beispiel in den Auswahlgremien. Zudem ziehen wir bewusst Experten hinzu, die noch nie etwas mit dem ERC zu tun hatten, das ist wichtig f&uuml;r die Objektivit&auml;t. Diese Kommission beurteilt qualitativ, ob ein Projekt einen Durchbruch gebracht hat, einen gro&szlig;en Fortschritt, einen weniger wichtigen Fortschritt oder ob es gar keinen Erfolg gab. V&ouml;llig erfolglos sind wenige Prozent. Der gr&ouml;&szlig;te Teil sind tats&auml;chlich Durchbr&uuml;che oder signifikante Fortschritte.
Ist das nicht ein Zeichen, dass der ERC zu konventionell und nicht mutig genug f&ouml;rdert? Bei Hochrisikoforschung, wie sie der ERC finanziert, w&auml;re doch zu erwarten, dass mehr als die H&auml;lfte scheitert?
Nun ja, &bdquo;nichts herauskommen&ldquo; kann Unterschiedliches bedeuten: Man macht ein Experiment, und das geht schief, man kann eine Hypothese weder best&auml;tigen noch widerlegen. Dann hat man das Experiment falsch gemacht, oder es funktionierte nicht. Dann probiert man weiter. Dass an vielen Tagen in diesem Sinne &bdquo;nichts herauskommt&ldquo;, ist normal. Es ist aber etwas ganz anderes, nach f&uuml;nf Jahren nichts publiziert zu haben. Das passiert selten. Manchmal findet man etwas anderes als erwartet, oder es ist kein gro&szlig;er Durchbruch, sondern nur ein inkrementeller Fortschritt. Das betrifft etwa 40 Prozent der Projekte. Dennoch ist das Geld daf&uuml;r nicht verschwendet &ndash; im Gegenteil, ich halte diese Forschung f&uuml;r sehr wichtig. Dabei wurden Studierende in hervorragenden Laboren ausgebildet, Postdocs haben publiziert und sich einen Namen gemacht, Doktoranden haben ihre Promotion abgeschlossen &ndash; und es wurde Wissen erweitert.
Politiker stehen unter Druck, mit dem Steuergeld kurzfristig Erfolge zu produzieren. Wie schwer ist es, der Politik klarzumachen, dass auch Forschung, die nicht das Gew&uuml;nschte liefert, finanziert werden muss?
Wenn wir w&uuml;ssten, was bei Forschung herauskommt &ndash; das sage ich Politikern immer wieder &ndash;, dann sind die Ergebnisse keine Entdeckungen mehr. Entdecken hei&szlig;t, man kennt die Entdeckung vorher nicht. Neuland betreten hei&szlig;t, dass man im Sumpf untergehen kann.
Das Geld der Steuerzahler geht auch nicht an Leute mit irgendeiner verr&uuml;ckten Idee, sondern an Leute, die nachgewiesen haben, dass sie ordentliche Forschung machen k&ouml;nnen. Die nachgewiesen haben, dass sie gut ausbilden und ein Labor leiten k&ouml;nnen. Also ist das Geld auf alle F&auml;lle gut angelegt.
Das Geld erhalten also diejenigen, von denen die Auswahlkommission denkt, dass sie auch k&uuml;nftig etwas Ordentliches leisten werden. Reproduziert der ERC damit nicht blo&szlig; die Forschergenerationen, die sich schon bew&auml;hrt haben? M&uuml;ssen Geldgeber nicht f&uuml;r mehr Vielfalt in der Forschercommunity sorgen, also neue Forscherschichten erschlie&szlig;en und denen mehr geben als den etablierten?
Der ERC gibt den jungen Forschern sehr viel mehr Geld als den etablierten. Vom F&ouml;rdergesamtvolumen gehen ungef&auml;hr zehn Prozent in die Synergy Grants und die Proof-of-Concept-F&ouml;rderlinien. Der Rest teilt sich auf in die Starting Grants, Consolidator Grants und Advanced Grants. Starting und Consolidator Grants f&ouml;rdern zusammen die zw&ouml;lf Jahre nach der Promotion. Durchschnittliche Forscherkarrieren nach dem PhD dauern 35 Jahre. Das hei&szlig;t, zwei Drittel des Geldes geht an den Nachwuchs.
Dass die Mittel bevorzugt an die Etablierten geht, stimmt also nicht. Aber geht es vielleicht vor allem an die, die damit angeben k&ouml;nnen, was sie schon alles gemacht haben?
Nein, auch das nicht. Der ERC vergibt die Mittel nicht danach, wer die meisten Paper publiziert hat. Der Antragsteller wird danach beurteilt, wie &uuml;berzeugend er oder sie ist. Wenn jemand noch nie etwas Ordentliches publiziert hat oder nicht &uuml;berzeugend darstellt, dass die beschriebenen Techniken im Labor funktionieren, dann ist das schlecht.
Ich habe in Panels gesessen, in denen wir Antr&auml;ge von Nobelpreistr&auml;gern beurteilt haben, von f&uuml;hrenden Forschern auf ihrem Gebiet. Dabei hie&szlig; es, wenn eine solche Person keinen ordentlichen Antrag schreibt, dann k&ouml;nnen wir den erst recht nicht bewilligen. Einem Anf&auml;nger, jemandem von einem finanzschwachen Institut oder aus einem schlechter aufgestellten Land wird eher nachgesehen, wenn der Antrag nicht perfekt formuliert ist.
Ist es auch eine Aufgabe des ERC, solche L&auml;nder &ndash; in der EU und assoziierte &ndash; zu f&ouml;rdern, die finanz- und forschungsschwach sind?
Nein. Es ist Aufgabe der L&auml;nder selbst, sich forschungsstark zu machen. Aber bei den einzelnen Forschern wird anerkannt, dass es in manchen Umgebungen schwieriger ist als in anderen, einen guten Antrag zu schreiben. Wir haben Instrumente, um diesen Forschern und Forscherinnen zu helfen: Mentoring Programme, eine Working Group on Widening Participation. Wir empfehlen, sich &uuml;ber die nationalen Kontaktstellen Rat zu holen, wir helfen bei der Antragstellung. Aber das Kriterium ist und bleibt alleine: Exzellenz.
Auf die Bev&ouml;lkerung umgerechnet gingen die meisten Starting Grants und Consolidator Grants in die Schweiz und nach Israel. Wie sehr schmerzt es Sie, dass die Verhandlungen mit der Schweiz &uuml;ber eine Fortsetzung der Forschungszusammenarbeit gescheitert sind?
Extrem. Die Forscher in der Schweiz wollen die Zusammenarbeit. Viele Politiker in der Schweiz m&ouml;chten die Verhandlungen wieder aufnehmen. Es ist ein Problem auf h&ouml;chster politischer Ebene, das nicht nur die Forschung betrifft. Aber es gibt Hoffnung auf eine L&ouml;sung.
Wie sieht es mit dem Vereinigten K&ouml;nigreich aus?
&Auml;hnlich, aber da h&auml;ngt nach dem Brexit im Moment alles in der Luft, nicht nur in der Forschung. Im Moment k&ouml;nnen wir nur abwarten.
Welche Haltung hat der ERC zur Forschungszusammenarbeit mit autorit&auml;ren Staaten?
Das ist schwierig. Den einzelnen Forschern in diesen L&auml;ndern m&ouml;chten wir helfen, ihre Unabh&auml;ngigkeit zu bewahren, gegen Repressionen zu k&auml;mpfen. Politisch kann der ERC nichts machen. Wir unterstehen der EU-Kommission, und es ist auch f&uuml;r Politiker in Europa und in den einzelnen L&auml;ndern nicht einfach zu entscheiden, wie sie mit diesen Situationen umgehen. Man m&ouml;chte den Kontakt halten. L&auml;nder, die autorit&auml;r regiert werden, von Forschungszusammenarbeit auszuschlie&szlig;en, hat m&ouml;glicherweise schlimmere Konsequenzen als zu versuchen, sie zu beeinflussen. Wenn Grant Agreements eingehalten sind, wenn die Rechte des Forschers respektiert werden, dann f&ouml;rdern wir.
Aber steht die Wissenschaft damit nicht vor dem gleichen Dilemma, das gerade die internationalen Handelsbeziehungen bestimmt? Die These vom Wandel durch Handel ist gescheitert. Ist es nicht zu einfach, von Wissenschaftsseite auf Entscheidungen aus der Politik zum Umgang mit Diktaturen zu warten? Muss nicht die Wissenschaft selbst L&ouml;sungen finden?
Das sehe ich auch so. Ich hatte F&auml;lle in meiner eigenen Arbeitsgruppe, dass Chinesen kein Stipendium von zuhause wollten, um ihre Unabh&auml;ngigkeit zu bewahren. Das habe ich respektiert und gesagt, dann finden wir eine andere Geldquelle. Jeder einzelne kann hier eine Rolle spielen.
Der ERC ist eine politische Institution und direkt von den Regierungen finanziert: Dennoch k&ouml;nnen wir in solchen Fragen unabh&auml;ngig agieren. Was die Grants betrifft, bestehen wir zum Beispiel darauf, dass ethische Regeln eingehalten werden. Forscher d&uuml;rfen keine Experimente in L&auml;ndern machen, die laschere Regeln haben als Europa, zum Beispiel in Embryonen- oder Stammzellenforschung. Wir als ERC k&ouml;nnen und wollen nicht sagen, wir finanzieren keine Projekte mehr, bei denen Chinesen oder Russen mitarbeiten. Aber mit Institutionen in Russland zum Beispiel hat die Kommission eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Das finde ich richtig.
Beim ERC werden Projekte in Life Sciences, in Physical Sciences and Engineering sowie in Social Sciences and Humanities eingeordnet. Die meisten Projekte in der Chemie laufen unter Physical and Engineering Sciences. Wird die Chemie dadurch zur Hilfswissenschaft degradiert?
Es gibt innerhalb der drei gro&szlig;en Bereiche jeweils sieben bis zehn Panels in spezifischen Bereichen. Der Bereich, der am homogensten ist, sind die Life Sciences. Was meinen Sie, was die Statistiker, Computer Scientists und die Mathematiker sagen? Ehrlich gesagt, Vertreter eines jeden Fachs klagen, ihr Fach k&auml;me am schlechtesten weg und werde zur Hilfswissenschaft degradiert. Jeder k&auml;mpft f&uuml;r seinen Bereich, das ist v&ouml;llig normal.
Mit Maria Leptin sprachen Nachrichten-Redakteurin Frauke Zbikowski und Chefredakteur Christian Remenyi.

Vor 50 Jahren in den Blauen Blättern

Wasserstoffwirtschaft

Wasserstoffwirtschaft im Jahr 1972

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