Bildung + Gesellschaft

Forschungsdaten wie originäre spektroskopische (NMR, MS, IR), kinetische oder Bio-Assay-Daten sind oft schwer zugänglich oder unzureichend dokumentiert. Dadurch sind wichtige Details von Experimenten nicht nachvollziehbar und führen zu unnötigen Wiederholungen oder schlimmstenfalls Fehlinterpretationen.Hier setzen die Fair-Prinzipien an – Findable, Accessible, Interoperable, Reusable. Diese sind in der chemischen Forschung bisher wenig etabliert im Vergleich etwa zu den Geo- und Umweltwissenschaften. Sie bieten jedoch Vorteile – für den wissenschaftlichen Fortschritt insgesamt, aber auch für die Forschenden.Findable: Wer Daten konsistent dokumentiert und mit standardisierten Metadaten versieht, kann Jahre später problemlos nachvollziehen, wie Ergebnisse zustande gekommen sind. Das erspart, Experimente zu wiederholen und Daten nochmal zu erheben. Die Fair-Prinzipien fördern eine Datenkultur, mit der sich Ergebnisse leichter wiederfinden und nachvollziehen lassen. Für Forschende bedeutet dies weniger Frustration im Arbeitsalltag.Accessible: Faire Daten machen wissenschaftliche Leistungen besser sichtbar. Erhalten andere Forschende Zugang zu Daten, können sie diese unabhängig von der ursprünglichen Publikation nutzen und zitieren. So erhöht sich die wissenschaftliche Reichweite, was in einer zunehmend datengetriebenen Forschungsgemeinschaft von Vorteil ist.Interoperable: Daten sind interoperabel, wenn andere Forschende sie leicht in verschiedenen Kontexten nutzen können – das erleichtert es Forschenden verschiedener Fächer, zusammenzuarbeiten.Reusable: Gut dokumentierte Datensammlungen sind zu wertvollen Ressourcen geworden. Beispielsweise nutzen KI-Techniken unter anderem Daten aus Wirkstoffscreenings, um potenzielle Wirkstoffe vorzuschlagen [Nachr. Chem. 2024, 72(10), 43].Daten so zu managen erfordert Anpassungen, etwa die Dokumentation der Datenerzeugung und -analyse sowie anschließende Publikation zusammen mit den Forschungsdaten. Dies lässt sich mit den richtigen Tools und Plattformen wie Chemotion oder Zenodo gut umsetzen. Die Transformation erfolgt nicht von heute auf morgen. Es ist ein schrittweiser Prozess der Anpassung unserer digitalen Arbeitsweise. In den nächsten Ausgaben stellen wir Ihnen Tools und Methoden vor, die Sie in Ihrer Arbeit unterstützen. Wenn Sie jetzt schon einen Blick auf unser Angebot werfen wollen: <a href="https://nfdi4chem.de/support" target="_blank">nfdi4chem.de/support</a><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/q8L9XQK1QUuJ2g2TkxDX">Oliver Koepler leitet das Lab Linked Scientific Knowledge am Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften (TIB) in Hannover. Er ist Spokesperson des NFDI-Konsortiums für die Chemie, NFDI4Chem.kurz notiertDaten-Regulierungen für Künstliche Intelligenz | Wie Künstliche Intelligenz (KI) besser reguliert werden könnte, behandelt ein Artikel im Journal of Al Law and Regulation. Darin empfehlen die Autoren, ein KI-Ethiker und eine Rechtswissenschaftlerin, Daten mit einer Zweckbegrenzung zu versehen. So ließen sich öffentlich finanzierte Forschungsdaten schützen und kommerzielle Datenunternehmen daran hindern, diese Daten zum Training ihrer Modelle zu nutzen.AIRe, doi: 10.21552/aire/2024/1/5Neue Features bei Radar4Chem | Radar4Chem ist ein multidisziplinäres Datenrepositorium für die Chemie. Seit der im Dezember 2024 veröffentlichten neuen Version kann per Mausklick aus Github-Projekten hochgeladen werden. Damit lässt sich der Entwicklungsstand einer Software mit einem referenzierbaren DOI versehen und zitierbar machen. Des Weiteren lässt das Metadaten-Beschreibungsfeld nun auch Markdown-Formatierungen zu, eine weiterer Endpunkt für das REST-API vervollständigt die neuen Funktionen.Zur NFDI4Chem-Meldung: <a href="https://t1p.de/jq3bb" target="_blank">t1p.de/jq3bb</a>InChI wird kollaborativ | lnChl (Aussprache: lntschie) ist ein ZeichenkettenRepräsentant für chemische Moleküle, mit dem diese im Netz oder in Datenbanken suchbar sind. Inzwischen umfasst er auch komplexere Strukturen wie Stereoisomere und Isotope. Mit der Version 1.0.7 geht die verantwortliche Iupac (International Union of Pure and Applied Chemistry) neue Wege: Die neue Version ist auf Github veröffentlicht, dadurch wird der Code skalierbar, erweiterbar, quelloffen und kollaborativ – jede:r kann zugreifen sowie zuarbeiten. Die verstärkte Einbindung der Community soll die Weiterentwicklung des Codes verbessern.Zur Elsevier-Meldung: <a href="https://t1p.de/rwi7c" target="_blank">t1p.de/rwi7c</a>Theo Bender, NFDI4Chem

Forschungsdaten

Wer von fairen Daten profitiert

Forschungsdaten wie originäre spektroskopische (NMR, MS, IR), kinetische oder Bio-Assay-Daten sind oft schwer zugänglich oder unzureichend dokumentiert. Dadurch sind wichtige Details von Experimenten nicht nachvollziehbar und führen zu unnötigen Wiederholungen oder schlimmstenfalls Fehlinterpreta...

Um Abläufe in einem Chemiewerk zu optimieren, muss Paul Kübler die Zusammenhänge zwischen den Prozessen kennen und kennenlernen. Dabei helfen ihm die Mitarbeitenden – und seine Unvoreingenommenheit.Stellt man als Chemiker am Ende der Promotion fest: „Ich möchte was mit Menschen machen“, könnte es zu spät sein – gerade als Anorganiker. Oder man hat Glück und findet eine Stelle, wie <link href="#nadc20254146513-fig-0001">Paul Kübler sie hat.<figure xml:id="nadc20254146513-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/TT1InxkOQgSa1WUZOUbM"><figcaption><label>Abb.1: </label>Paul Kübler in Aktion, die meist eine Interaktion ist: Hier arbeitet er mit einem Produktionsleiter im Prozessleitstand an Optimierungen. Foto: Candy Szengel</figcaption></figure></figure><h2 type="main">Change Management</h2>Kübler arbeitet als Change Manager Business Processes bei den Chemischen Werken Kluthe in Heidelberg, einem mittelständischen Familienunternehmen (Kasten). Als dieser hat er die Aufgabe, Arbeitsprozesse zu optimieren. Dazu gehört beispielsweise, Arbeitsabläufe zu verbessern, sie nachhaltiger zu gestalten, sie effizienter und günstiger zu machen. Es ist sein dritter Arbeitsplatz nach der Promotion, die er im Jahr 2014 an der Universität Marburg abschloss. Bei beiden vorigen Stationen hat er vieles gelernt, was ihm jetzt zugute kommt. „Als Berufsanfänger kommst du in ein Unternehmen und stellst fest: Theorie reicht nicht. Wir haben es hier mit Menschen zu tun.“ – Menschen mit Eigenheiten und Bedürfnissen, die eine wichtigere Rolle haben als der Arbeitsprozess an sich.Wenn es darum geht, Prozesse zu verbessern, müsse man sich also vor allem mit Menschen beschäftigen. Dazu brauche es das richtige Mindset, sagt Kübler: „Das Wichtigste ist, offen zu sein, mit Menschen zu reden und ihre Bedürfnisse kennenzulernen. Das Fachwissen, also technische Hintergründe, wie Unternehmen laufen, wie die Wertschöpfungskette aussieht, ist wichtig, aber zweitrangig.“<h2 type="main">Menschen und mehr</h2>Natürlich geht es auch ohne Fachwissen nicht: Kübler muss die Zusammenhänge und Abhängigkeiten kennen, die sich aus den Rezepturen für benachbarte Schritte und Prozesse ergeben, die Messmethoden, welche Grenzen es gibt. Zudem sind Kenntnisse erforderlich zu Unternehmensabläufen, Wertschöpfungsketten, Einkauf, Entwicklung, Produktion, Lagerung, Versand.Weil Kübler das unmöglich alles wissen kann, ist sein erster Schritt bei der Optimierung eines Arbeitsprozesses immer der gleiche: mit der oder dem Abteilungsleitenden sprechen und übergeordnete Ziele und Besonderheiten kennenlernen. Dann führt ihn sein Weg zu den Mitarbeitenden, die ihm die einzelnen Schritte ihrer Tätigkeit erklären, welche Grenzen es gibt und was für Probleme sie haben. Mit diesem Input macht Kübler sich Gedanken, was sich wie verbessern lässt. Ob diese Vorschläge machbar und hilfreich sind, bespricht er wiederum mit den Mitarbeitenden. Und erst, wenn sich Küblers Änderungsvorschlag als vor Ort realisierbar erweist, geht es mit den Abteilungsleitenden daran, die Umsetzung zu planen.<h2 type="main">Was die Unternehmensgröße bewirkt</h2>In der Großindustrie sei das kaum machbar, sagt Kübler: „In einem Konzern kommt es wegen der Strukturen zu etlichen Zielkonflikten – bis du alle auf einem Stand hast, haben schon wieder Positionen und Sichtweisen gewechselt, und du fängst von vorne an.“ Daher arbeite er lieber in einem mittelständischen Unternehmen: „Im Mittelstand kannst du viel mehr und viel schneller verändern, weil du oft mit denselben Personen redest, Neuerungen schneller ausprobiert werden und du schneller Rückmeldung bekommst, ob etwas funktioniert oder nachgebessert werden muss.“<h2 type="main">Wissen weitergeben</h2>Neben den Dauerbrennern Digitalisierung, Effizienz und Nachhaltigkeit ist derzeit ein weiteres Thema wichtig: Wissenssicherung. Viele Menschen gehen in Rente; wie lässt sich ihr Wissen bewahren? „Indem ich mich aktiv mit den Mitarbeitenden austausche, versuche ich zu gewährleisten“, sagt Kübler, „dass auch das Wissen an die neuen Mitarbeitenden weitergegeben wird, das bisher ausschließlich in den Köpfen der Erfahrenen steckt.“Nebenberuflich arbeitet er seit Dezember 2024 als Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim. Hier lehrt er Studierende der Chemie- und Verfahrenstechnik, wie es in einem Unternehmen mit Abläufen, Strukturen und vielem anderen aussieht. Denn: „Das Fachwissen ist da“, sagt Kübler, „nur die Strukturen, die Zusammenarbeit, das Gemeinsame, das lernt man meistens erst im Unternehmen.“ Aber es geht eben auch eher.<h2 type="main">Der Arbeitgeber: Die Kluthe-Gruppe</h2>Kluthe ist ein familiengeführtes Chemieunternehmen aus Heidelberg. Es hat sich auf chemische Produkte und Prozesslösungen für die Oberflächenbehandlung spezialisiert, insbesondere für die Automobil- und Maschinenbauindustrie. Kluthe hat ein Forschungszentrum in Heidelberg, fertigt an 13 Produktionsstandorten weltweit und hat Vertretungen, Vertriebspartner sowie Lizenznehmer in 51 Ländern. Rund 1000 Menschen arbeiten für das Unternehmen. Es bietet beispielsweise Schmierstoffe, Reinigungsmittel und Konversionsbeschichtungen an. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Unternehmenswert: Kluthe setzt auf ressourcenschonende Neuerungen, etwa durch Recycling im Sinne eines Kreislaufs, nachhaltige Rezepturen und Rohstoffe sowie optimierte Anwendungen beim Kunden. Über 80 Prozent der Produkte gibt es inzwischen als nachhaltige Alternativen, die häufig kosteneffizienter sind.<h2 type="main">Die Autorin</h2>Nachrichten-Redakteurin Eliza Leusmann ist immer wieder überrascht, wie vielfältig die Berufe sind, denen man als Chemiker:in nachgehen kann.

Forschungsdaten

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