Industrie + Technik

Wie kann ich mir Gründungswissen aneignen?Um zu gründen, braucht es kein BWL-Studium und keinen MBA. Aber wie können sich Naturwissenschaftler:innen das notwendige Gründungswissen aneignen und was ist das eigentlich? Darunter verstehe ich zum einen das Wissen, wie eine Gründung durchzuführen ist, also Wissen um Rechtsformen, Gründungsvorgang oder Businessplanerstellen. Zum anderen geht es um das Wissen, wie sich ein Start-up erfolgreich entwickeln lässt. Dazu gehören administrative Arbeiten wie Buchführung, Bilanzierung und Jahresabschluss. Operativ sollten Gründer diese Dinge an eine erfahrene Steuerberaterin abgeben – dennoch müssen alle Gründer:innen verstehen, was da passiert.Veranstaltungen von Gründungsinitiativen können als Einstieg dienen. Allerdings fokussieren sich die meisten Veranstaltungen auf die Fragen rund um den Beginn einer Gründung. Zudem werden die Themen oft nur oberflächlich behandelt. Diese Veranstaltungen helfen daher nicht bei Detailfragen.Besser sind umfangreichere Entrepreneurship-Kurse, die an Universitäten angeboten werden. Um sich über die zahlreichen Themen ein fundiertes Grundverständnis anzueignen, sollten diese Kurse mindestens zwei Semester lang belegt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass sie nicht nur den Gründungsvorgang abdecken. Sollte es keine speziellen Kurse zu Themen wie Buchführung geben, lassen sich entsprechende BWL-Kurse besuchen. Das habe ich vor vielen Jahren gemacht, und das ist im Grundstudium kein Problem. Das Gleiche gilt für ein rechtliches Grundverständnis. Hier empfehle ich die Basisvorlesungen im Jura-Grundstudium, um ein Gefühl für das Bürgerliche Gesetzbuch oder das GmbH-Gesetz zu bekommen.Als nützlich habe ich zudem Online-Tutorials etwa zu Buchführung oder anderen rechtlich relevanten Themen empfunden. Gute Tutorials gibt es beispielsweise auf You-Tube-Kanälen.1,2) Die sind allerdings nur nützlich für Menschen mit solidem Grundverständnis. Daher empfiehlt es sich, mit den Universitätskursen zu beginnen.Letztlich bleibt bei vielen Themen nur „Learning by Doing“. Das geschieht am besten mit einem guten Coach, der permanent zur Verfügung steht und bei schwierigen Aufgaben hilft. Das ist dann umso effizienter, je mehr Grundwissen vorhanden ist.<ul class="references" cited="no" style="numbered" xml:id="nadc20244142250-bibl-0001"><li xml:id="nadc20244142250-bib-0001">1 Servdesk, <a href="https://youtube.com/@sevDeskDE" target="_blank">youtube.com/@sevDeskDE</a></li><li xml:id="nadc20244142250-bib-0002">2 Bibi Bilanzierung, <a href="https://youtube.com/@BibiBilanzierung" target="_blank">youtube.com/@BibiBilanzierung</a></li></ul>

Gründerkolumne

Wie kann ich mir Gründungswissen aneignen?

Wie kann ich mir Gründungswissen aneignen?Um zu gründen, braucht es kein BWL-Studium und keinen MBA. Aber wie können sich Naturwissenschaftler:innen das notwendige Gründungswissen aneignen und was ist das eigentlich? Darunter verstehe ich zum einen das Wissen, wie eine Gründung durchzuführen ist,...

Ein Thema der Achema, der Messe der Prozessindustrie in Frankfurt am Main, ist die Elektrifizierung der Chemie. Dabei geht es um direkte Stromnutzung, um Power-to-X-Verfahren oder auch darum, strombasierte Prozesse mit Rezyklaten zu kombinieren.Forscher:innen beschäftigen sich mit Plasmachemie, Elektrolyseverfahren und elektrischen Alternativen zu fossil beheizten Chemiereaktoren. Vor allem bei der Herstellung von Basischemikalien wie Ethen lohnt es, Prozessalternativen zu suchen. Denn zehn dieser Grundstoffe – darunter Ammoniak, Chlor und Natronlauge – sind in der Herstellung für etwa 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen der Chemie verantwortlich.<h2 type="main">Reaktoren elektrisch heizen</h2>Steamcracker zu elektrifizieren reduziert Treibhausgase. Die bislang meist mit Gas befeuerten <link href="#nadc20244138429-fig-0001">Spaltöfen liefern Grundbausteine vieler Basischemikalien. 90 Prozent der CO2-Emissionen eines Steamcrackers entstehen beim Beheizen des Spaltofens – das machte im Jahr 2021 weltweit etwa 300 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr. Konzerne wie Dow, Shell, Sabic, Linde und BASF entwickeln deshalb elektrisch beheizte Steamcracker. In diesem Jahr soll in Ludwigshafen eine entsprechende Demonstrationsanlage an einem großtechnischen Cracker in Betrieb gehen. Allerdings lässt sich allein mit elektrischen Heizungen keine klimaneutrale Chemie erreichen.<figure xml:id="nadc20244138429-fig-0001"><figure><img alt="image" src="https://media.graphassets.com/QbIp1cNtQ6yiTgfYTYGw"><figcaption><label>Abb.1: </label>Die Dampftrommel und der Spaltofenschacht des Steamcrackers bei BASF Total Petrochemicals in Port Arthur, Texas. Der Standort produziert petrochemische Basischemikalien und betreibt einen der weltweit größten Steamcracker. Foto: BASF</figcaption></figure></figure>Wie die Transformation der Chemie funktionieren könnte, haben der Verband der Chemischen Industrie und der Verein Deutscher Ingenieure untersucht. Deren Studie C4C bewertet Szenarien auf dem Weg zur klimaneutralen Chemie im Jahr 2045. Allen gemeinsam ist der Bedarf an elektrischer Energie: zwischen sechs und zehn Mal höher als bisher.Vor allem die Wasserelektrolyse schlägt hier zu Buche, um H2 zu erzeugen. Im Hype um grünen Wasserstoff, also solchem, der mit Energie aus erneuerbaren Quellen hergestellt wurde, wird meist übersehen, wie wichtig Rezyklate sind. Diese Sekundärrohstoffe sind etwa Kunststoffabfälle oder Biomasse.Es braucht also die Kombination aus alternativen Rohstoffen und der Elektrifizierung der Chemie. Beim Steamcracker könnte das ein elektrisch beheizter Spaltofen sein, der nicht mit Naphtha aus Erdöl gespeist wird, sondern mit Pyrolyseöl aus Kunststoffabfällen oder synthetischem Leichtbenzin.<h2 type="main">In einem Rutsch zum Synthesegas</h2>Entwicklungsprojekte aus der Elektrochemie sollen Elektrolyseverfahren nicht nur effizienter machen, sondern sie auch über Wasserstoff- und Chlorproduktion hinaus nutzen. So wird im Kopernikus-Projekt P2X an der Co-Elektrolyse geforscht [Nachr. Chem. 2022, 70(9), 48]: Für das Energy Lab 2.0 am Karlsruher Institut für Technologie hat der Elektrolyseur-Hersteller Sunfire im Jahr 2023 eine Anlage geliefert, in der mit Strom aus Wasserdampf und CO2 in nur einem Schritt Synthesegas entsteht. Das H2-CO-Gemisch ist Grundlage vieler Chemikalien und Kraftstoffe. Je nach Anforderung und gewünschten Folgeprodukten lässt sich das Gemisch einstellen.Der Chemiekonzern Evonik geht im Projekt PlasCO2 einen anderen Weg: H2 und CO2 werden in einem Plasmareaktor zu Synthesegas umgesetzt, das anschließend zur Produktion von C4-Chemikalien dienen soll. Anders als energieintensives Lichtbogen-Plasma entsteht das reaktionsfreudige Gemisch aus Ionen und freien Elektronen bei Evonik bereits bei Temperaturen unter 100 °C. Zudem nutzt das EU-Projekt Mapsyn (microwave, ultrasonic and plasma-assisted syntheses) kaltes Plasma und halbiert so den Energiebedarf für die Stickoxiderzeugung.Solche Entwicklungen könnten den Schlüssel zu einem Problem der elektrolytischen H2-Herstellung im großen Maßstab liefern. Ist der dabei entstehende Sauerstoff als werthaltiges Produkt nutzbar, würde sich die Gesamteffizienz und Wirtschaftlichkeit des Elektrolyseverfahrens verbessern. Neben der Verwendung als Industriegas oder zur Anreicherung von Belebungsluft in der Abwasserreinigung ist das Nebenprodukt in vielen chemischen Synthesen interessant.Weil Elektrolyseure künftig nicht nur an großen Chemie- und Raffineriestandorten betrieben werden, sondern beispielsweise auch direkt an Windturbinen auf See, braucht es viele Techniken, die H2 und O2 vor Ort nutzen.<h2 type="main">Wärme pumpen</h2>Seit Jahren verwendet die Gebäudetechnik Wärmepumpen. Die auf dem Carnot-Prozess beruhenden Maschinen machen Umgebungs- und Prozessabwärme zum Beheizen von Gebäuden und Anlagen nutzbar. So lassen sich mit einer Kilowattstunde elektrischer Energie drei bis fünf Kilowattstunden Wärmeenergie erzeugen.Inzwischen liegt das Temperaturniveau der erzeugten Wärme bei 130 °C. Solche Temperaturen sind für das Bereitstellen von Prozesswärme in der Chemie interessant. Sie ließen sich zudem in der Spezialchemie auf dem Weg zur Klimaneutralität nutzen.<h2 type="main">Flexible Produktion</h2>Wenn Strom nicht nur als Energieträger, sondern auch als Rohstoff chemische Wertschöpfungsketten bestimmt, gerät ein Paradigma ins Wanken: die kontinuierliche Verfügbarkeit von Energieträgern. Denn im Gegensatz zu Erdgas oder Naphtha lässt sich Strom bislang nicht in den erforderlichen Mengen speichern. Power-to-X-Anlagen bieten ein großes Flexibilitätspotenzial in Zeiten mit Überschussstrom. Dabei werden sie im Jahr 2045 etwa die Hälfte des verfügbaren Überschussstroms aufnehmen. Den größten Beitrag leisten dabei Elektrolyseure, deren erzeugter Wasserstoff unter anderem essenziell zur Dekarbonisierung der Industrie ist, etwa in der Chemieindustrie als Rohstoff oder in der Stahlindustrie zur Direktreduktion.Angebot und Nachfrage müssen im Gleichgewicht sein, sonst drohen Netzschwankungen bis hin zur Abschaltung. Immer deutlicher wird dieses Problem beim Ausbau der Kapazitäten für Windenergie und Photovoltaik: So mussten im Jahr 2022 allein in Deutschland 8,1 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien abgeregelt werden, weil durch das Überangebot die Netzstabilität gefährdet war. Im Kopernikus-Projekt Synergie wird deshalb untersucht, wie es gelingen kann, Industrie- und Chemieproduktion so zu flexibilisieren, dass sich der Strombedarf in kurzer Zeit erhöhen oder senken lässt.Dieses Demand-Side-Management machen sich manche schon zunutze: Beispielsweise, indem die Dampferzeugung von Gas auf Strom umgeschaltet wird, wenn der Börsenstrompreis an sonnigen und windreichen Tagen unter den Gaspreis sinkt oder sogar negativ wird. Die Entwicklung flexibel schaltbarer elektrochemischer Prozesse könnte ein weiterer Schritt in Richtung Demand-Side-Management sein. Das Projekt nennt hier beispielsweise die Chlor-Alkali-Elektrolyse und die Extraktion von Carbonsäuren.Begrenzt werden solche Konzepte von wirtschaftlichen Faktoren – allen voran vom Druck zur Kapitaleffizienz, die bei Vollauslastung einer Anlage höher ist als im Teillastbetrieb. Zudem hemmt der Finanzierungsaspekt die Umsetzung neuer Techniken in einen industrietauglichen Maßstab. So ist es angesichts hoher Zinsen und Energiepreise für Chemieunternehmen schwieriger geworden, die Wirtschaftlichkeit neuer Anlagenprojekte zu zeigen – auch der Projekte zur Defossilisierung und Elektrifizierung.<h2 type="main">Elektrochemisch oder katalytisch</h2>Im Jahr 1903 haben die Norweger Kristian Birkeland und Sam Eyde – Physiker und Ingenieur – Luftstickstoff in einem elektrisch erzeugten Lichtbogenplasma zu NO oxidiert. Daraus stellten sie Salpetersäure und schließlich Nitratdünger her. Die Norweger verwendeten Strom aus Wasserkraft. Gegen das ab dem Jahr 1913 genutzte Haber-Bosch-Verfahren, bei dem Luftstickstoff an einem Katalysator mit Wasserstoff zu Ammoniak reagiert, hatte der stromhungrige Prozess aus Norwegen wirtschaftlich keine Chance. Daher stammen etwa 1,4 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen heute aus dem Prozess, den die Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch entwickelten. Dieser gilt für die Welternährung bisher als unverzichtbar.<h2 type="main">INFO: Zur Achema</h2>Die nächste Achema findet vom 10. bis zum 14. Juni in Frankfurt am Main statt. Der begleitende Kongress ergänzt die Themen der Ausstellung mit wissenschaftlichen Vorträgen sowie Gast- und Partnerveranstaltungen.<a href="https://www.achema.de" target="_blank">www.achema.de</a><h2 type="main">Der Autor</h2>Armin Scheuermann ist Chemieingenieur und freier Fachjournalist.

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