Meinungsbeitrag
Ein Weg, der Mut erfordert
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Chancengleichheit für Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft ist auch 25 Jahre nach der Gründung des GDCh-Arbeitskreises Chancengleichheit in der Chemie (AKCC) keine Selbstverständlichkeit, sie muss immer wieder aktiv erkämpft werden. Wie häufig wird beklagt, dass zu wenige Akademikerinnen Karriere und Familie vereinen, doch die Barrieren sind vielfältig. Vor allem fehlen leider immer noch allzu oft Vorbilder für junge Frauen. Der Weg zum Erfolg in einer Männerdomäne wie der Naturwissenschaft erfordert viel Mut. Als ich mich nach dem Abitur zwischen Geistes- und Naturwissenschaften entscheiden musste, wählte ich Chemie – als Antwort auf die Erwartung, dass Frauen eher in Berufen wie dem der Lehrerin erfolgreich sein könnten. Diese Entscheidung war von Trotz geprägt, aber auch von der Gewissheit, meinen eigenen Weg gehen zu wollen. Während des Studiums begegneten mir viele männliche Kommilitonen und Professoren. Negative Bemerkungen über Frauen in Naturwissenschaften lernte ich zu überhören. Meine großartigen wissenschaftlichen Mentoren ermutigten mich, meine Karriere als Frau in der Wissenschaft weiterzuverfolgen.
Während meiner Postdoc-Zeit in den USA lernte ich, dass es durchaus möglich ist, als Frau und Mutter erfolgreich zu sein. Diane Wittry, Dirigentin des Allentown Symphony Orchestra, war ein großes Vorbild für mich. Sie zeigte mir, dass Frauen unkonventionelle Wege gehen können, um erfolgreich zu sein.
Die Geburt meiner ersten Tochter hat mein Leben verändert. Ich habe sie bald nach der Geburt mit zu Vorlesungen und Besprechungen genommen und habe sichergestellt, dass sich Berufs- und Privatleben ergänzen, statt sich zu behindern. Es war anfangs schwierig, doch es war möglich. Während meine Tochter noch ein Baby war, hat sie mich auf Konferenzen, in Meetings und bei meiner Büroarbeit begleitet. Als meine zweite Tochter geboren wurde, stand ich – nun in meiner Funktion als MPI-Direktorin – erneut vor der Frage, wie man Familie und Karriere in Einklang bringt. Von bürokratischen Hindernissen ließ ich mich nicht entmutigen, sondern kämpfte für Lösungen, um meiner Arbeit nachzugehen, ohne auf meine Kinder verzichten zu müssen. Es war nicht immer einfach; oft musste ich um Unterstützung bitten, etwa für die Kinderbetreuung bei Begutachtungen. Doch auch meine zweite Tochter konnte mich zu wissenschaftlichen Terminen und durch meinen Arbeitsalltag begleiten. Es geht, wenn man konkrete Vorschläge macht und die notwendigen Änderungen einfordert.
Der Weg zu echter Chancengleichheit ist oft ein individueller mit kreativen und neuen Ideen: Er erfordert die Entschlossenheit, sich gegen sinnlose Normen aufzulehnen und Veränderungen einzufordern, sowie den Glauben, dass unkonventionelle Lösungen zu besseren Ergebnissen führen können. Beispiele sind Mentoring durch Shadowing – Nachwuchsforschende begleiten etablierte Wissenschaftlerinnen im Berufsalltag – oder auch Blind Auditions in der Wissenschaft – in Anlehnung an die Auswahl für ein Musikorchester – für Paper, Anträge, Preise oder Bewerbungen.
Der Kampf um Chancengleichheit ist immer noch nicht gewonnen. Doch es ist möglich, den Weg für die nächsten Generationen zu ebnen und sicherzustellen, dass Frauen in der Wissenschaft und Wirtschaft die gleichen Chancen haben wie ihre männlichen Kollegen.
Katharina Landfester ist Direktorin am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz. 2016 bis 2023 gehörte sie dem GDCh-Vorstand an.
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