Schlaglicht Chancengleichheit

Bildung + Gesellschaft

Geschlechterklischees werden bei der Wahl eines Ausbildungsberufs unwichtiger.Es gibt zwar in einigen Ausbildungsberufen einen Männer- oder Frauenüberschuss, allerdings gleichen sich die Geschlechterverhältnisse langsam an. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis). Verglichen wurde die prozentuale Geschlechterverteilung bei neuen Ausbildungsverträgen beliebter Berufe in den Jahren 2023 und 2013. So gab es im Jahr 2023 etwa 34 Prozent männliche Berufsanfänger im Friseur:in-Handwerk (2013: 13 Prozent). Lebensmittelfachverkäufer wollten 28 Prozent werden (2013: 11 Prozent). Eine Landwirt:in- und Tischler:in-Ausbildung haben im Jahr 2023 mehr Frauen begonnen als im Jahr 2013, nämlich 24 statt 13 beziehungsweise 20 statt 11 Prozent. In Mint-Ausbildungsberufen zeigt sich bisher kein Trend zur Geschlechtergleichheit: Der Frauenanteil an neuen Ausbildungsverträgen war im Jahr 2023 nur minimal größer als im Jahr 2013 und betrug 12 beziehungsweise 11 Prozent.<img alt="image" src="https://eu-central-1.graphassets.com/Aype6X9u2QGewIgZKbFflz/cma25a9zd7yem06uf1h4wg065">Insgesamt haben im Jahr 2023 weniger Frauen eine Ausbildung begonnen als im Jahr 2013: 36 statt 40 Prozent. Dafür haben mehr Frauen im Wintersemester (WS) 2023/24 angefangen zu studieren als im WS 2013/14, und zwar 52 statt 49 Prozent. EL<ul class="references" cited="no" style="numbered" xml:id="nadc20254151152-bibl-0001"><li xml:id="nadc20254151152-bib-0001">1 Destatis-Zahlen: <url href="https://dpaq.de/R5NwfiF"><a href="https://dpaq.de/R5NwfiF" target="_blank">dpaq.de/R5NwfiF</a></url>; <url href="https://dpaq.de/qK6NHiE"><a href="https://dpaq.de/qK6NHiE" target="_blank">dpaq.de/qK6NHiE</a></url>; <url href="https://dpaq.de/bfvY0kd"><a href="https://dpaq.de/bfvY0kd" target="_blank">dpaq.de/bfvY0kd</a></url>; Grafik: sun_po / Adobe Stock</li></ul>

Artikel

Ausbildung und Rollenbilder

W&uuml;rden Sie heute mit dem Studium anfangen, best&uuml;nden Ihre Kommiliton:innen je zur H&auml;lfte aus Studierenden mit Akademiker- und Nichtakademiker-Eltern. Klingt fair, allerdings sind es in Deutschlands Grundschulen dreimal so viele Nichtakademikerkinder wie solche, bei denen zumindest ein Elternteil einen Studienabschluss hat.1) Und auf jeder Ausbildungsstufe d&uuml;nnt sich der Anteil der Nichtakademikerkinder aus.2)
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<figcaption><label>Abb.1: </label>F&uuml;r Arbeiterkinder und deren Eltern ist die Universit&auml;t (hier der Campus des MIT in Cambridge) mitunter ein krummes Konstrukt. Fotos: Alevtina (oben), JStock (unten) / Adobe Stock</figcaption>
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Hendrik Jonas ist seit dem Jahr 2021 promovierter Chemiker, und er ist Arbeiterkind: Seine Mutter arbeitet als Kassiererin bei Aldi, sein Vater war vor der Rente Schichtleiter in einem Lager. Er ist also Teil der 1,8 Prozent aller Nichtakademikerkinder mit Doktortitel. Mit Akademikereltern steht der Z&auml;hler bei 5,4 %.1) In seiner Klasse konnte er als Erster lesen, und Rechnen war auch kein Problem. &bdquo;Nach der Grundschule war es trotzdem Zufall, dass ich auf das Gymnasium gekommen bin. Meine Eltern waren selbst auf Realschulen, also fanden sie, ich w&auml;re da auch gut aufgehoben.&ldquo; Nur weil zuf&auml;llig die Orientierungsstufe abgeschafft wurde, die sie f&uuml;r ihn vorgesehen hatten, kam die Option Gymnasium zur Sprache. Eine seiner Tanten war auf demselben Gymnasium, wo er sp&auml;ter landete. &bdquo;Daher wussten meine Eltern: &sbquo;Das kriegt er hin.&lsquo;&ldquo;
Akademikerkinder profitieren von den Menschen in ihrem Umfeld, die als Vorbilder herhalten und das Studium entmystifizieren. Bei Jonas&lsquo; Eltern war das anders. Er meint: &bdquo;Sie wissen immer noch nicht genau, was das Konstrukt Uni ist &ndash; sie stellen sich das wie eine weiterf&uuml;hrende Schule vor.&ldquo; Stattdessen verhalfen ihm Zuf&auml;lle zur Unikarriere.
Bei einem Berufstest in der Mittelstufe kristallisierten sich f&uuml;r ihn technische Assistenzberufe heraus. Seine andere Tante ist medizinisch-technische Assistentin, meinte jedoch, er solle sich das &uuml;berlegen, schlie&szlig;lich m&uuml;sse man f&uuml;r die Ausbildung zahlen. Und wenn er sowieso Geld ausgebe, k&ouml;nne er auch gleich studieren. Sie organisierte ihm ein Praktikum am Institut f&uuml;r Neurophysiologie in M&uuml;nster, bei dem er einem Biologiestudenten erz&auml;hlte, dass auch er in Bio gut sei. Dieser behauptete, mit diesem Studium k&ouml;nne man nur Biolehrer werden, und Jonas glaubte das. Also lieber Biochemie? Zur selben Zeit hatte er eine Englisch-Nachhilfelehrerin &ndash; zuf&auml;llig Chemiestudentin. Sie erkl&auml;rte ihm, Biochemie sei Teil des Chemiestudiums, und ein reines Biochemiestudium sei weniger flexibel. Das Chemiestudium dagegen g&auml;be einen Einblick in alle Fachrichtungen. &bdquo;Sie war mir in ihrer Karriere immer ein paar Jahre voraus, und ich konnte mich an ihrem Weg entlanghangeln.&ldquo; Dass sie seinen Werdegang so stark beeinflusst hat, meint er, wisse sie vermutlich gar nicht.
Ebenfalls von seiner Nachhilfelehrerin h&ouml;rte er erstmals davon, dass der Staat Kredite f&uuml;rs Studium verteilt &ndash; derzeit maximal 664 Euro (992 Euro, wenn man nicht mehr bei den Eltern wohnt). Zu seinen Finanzen im Studium sagt Jonas: &bdquo;Von meinen Eltern habe ich au&szlig;er f&uuml;r Klamotten kein Geld bekommen. Sie erwarteten einfach, dass ich neben dem Studium arbeite. H&auml;tte ich Geld gebraucht, h&auml;tten sie mir aber welches gegeben.&ldquo; Geld verdiente er jedes Wochenende beim Kellnern, anders seine Kommiliton:innen: Nur von einer Kommilitonin wei&szlig; er, die ebenfalls arbeitete. F&auml;cher&uuml;bergreifend arbeiten 67 Prozent der Nichtakademiker-Studierenden, 7 Prozentpunkte mehr als unter denen mit studierten Eltern. Das Motiv unterscheidet sich jedoch: Zwei Drittel der Arbeiterkinder brauchen den Nebenjob unbedingt zum Finanzieren des Lebens &ndash; bei der H&auml;lfte der Akademikerkinder ist es Bonus.3)
Dass die Arbeit neben dem Studium seiner Karriere geschadet haben k&ouml;nnte, glaubt Jonas nicht. Er sagt: &bdquo;Der Job hat mir Spa&szlig; gemacht, ich h&auml;tte bestimmt mehr f&uuml;r das Studium machen k&ouml;nnen, aber wen interessieren die Noten von damals? Daf&uuml;r habe ich an Menschenkenntnis dazugewonnen.&ldquo; Auch sein Elternhaus empfindet er &uuml;berhaupt nicht als Nachteil. Als er sechzehn Jahre alt war, habe ihn sein Vater das erste Mal zu dessen Arbeit mitgenommen, und ab da habe er Ferienjobs gemacht. &bdquo;Wenn Leute mit Mitte zwanzig bei ihrem ersten Arbeitsvertrag klagen, Arbeit sei so schwer, denk&lsquo; ich mir, Geld kriegt man eben nicht umsonst.&ldquo; LB
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<figcaption><label>Abb.2: </label></figcaption>
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<ul class="references" cited="no" xml:id="nadc20254151076-bibl-0001">
<li xml:id="nadc20254151076-bib-0001">1 Bundeszentrale f&uuml;r politische Bildung, Kurzlink: <a href="https://t1p.de/5toa7" target="_blank" rel="noopener">t1p.de/5toa7</a></li>
<li xml:id="nadc20254151076-bib-0002">2 <a href="https://hochschulbildungsreport2020.de/chancen-fuer-nichtakademikerkinder" target="_blank" rel="noopener">hochschulbildungsreport2020.de/chancen-fuer-nichtakademikerkinder</a></li>
<li xml:id="nadc20254151076-bib-0003">3 <a href="https://dzhw.eu/pdf/ab_20/Soz22_Hauptbericht.pdf" target="_blank" rel="noopener">dzhw.eu/pdf/ab_20/Soz22_Hauptbericht.pdf</a></li>
</ul>

„Meine Eltern wissen immer noch nicht genau, was das Konstrukt Uni ist“

„Frauenförderung hat qua Wort eine Schwelle“

Lassen sich Forschung und Elternschaft verbinden? Ein Thema auch (und gerade) f&uuml;r M&auml;nner.
Im Jahr 2007 startete in Deutschland das Elterngeld &ndash; im Vergleich zur Vorg&auml;ngertransferleistung, dem Erziehungsgeld, mit einem zus&auml;tzlich Anreiz, die Elternzeit gemeinschaftlich zu nehmen: Beteiligen sich beide Partner, bekommt man zwei Monate mehr, n&auml;mlich insgesamt vierzehn. Familienpolitisch war es eine Aufforderung an V&auml;ter, sich an der Elternzeit zu beteiligen. V&auml;ter in Elternzeit sind weiterhin selten. Das Statistische Bundesamt bezifferte den Anteil der M&uuml;tter in Elternzeit im Jahr 2022 auf 25,1 %. Bei den V&auml;tern waren es 1,8 % &ndash; immerhin ein Anstieg zum Jahr 2012, damals lag der Wert bei 1,1 %.
Einer dieser 1,1 % war Axel Jacobi von Wangelin. Insgesamt dreizehn Monate Elternzeit nahm er 2011 und 2014, w&auml;hrend er Professor an der Universit&auml;t Regensburg war: &bdquo;Beim ersten Kind sechs Monate und beim zweiten Kind sieben Monate.&ldquo;
Dass andere ihn als Vorbild bezeichnen, sieht er ambivalent: &bdquo;Ich empfinde mich nicht als besonders, vor allem weil viele Frauen das Gleiche geleistet haben und oft noch viel gr&ouml;&szlig;ere H&uuml;rden &uuml;berwinden mussten. Trotzdem freue ich mich, wenn Kollegen mir sagen, dass ich f&uuml;r sie ein Vorbild war, besonders bezogen auf die Vereinbarkeit von Elternschaft und wissenschaftlicher Arbeit.&ldquo; Gerade als Mann sei es wichtig, dieses Rollenverst&auml;ndnis auch offensiv anzusprechen: &bdquo;M&auml;nner sollten zeigen, dass sie nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Familienmenschen sind. Ein Leben neben der Forschung ist m&ouml;glich und bereichernd.&ldquo;
Die Reaktionen seiner Kolleginnen und Kollegen damals waren &uuml;berwiegend positiv, erz&auml;hlt Axel Jacobi von Wangelin: &bdquo;Mein engerer Kollegenkreis hat mir viel Unterst&uuml;tzung angeboten und mich ermutigt. Es war zwar ein gro&szlig;er Schritt, und ich war mir nicht ganz sicher, ob ich die richtige Entscheidung traf, aber die positive Resonanz war sehr hilfreich.&ldquo; Es gab jedoch auch kritische Kommentare. &bdquo;Einige meinten, als Wissenschaftler k&ouml;nne man doch nicht einfach k&uuml;rzertreten, oder dass meine Auszeit der Gruppe schaden w&uuml;rde.&ldquo;
Nachwuchswissenschaftler:innen bef&uuml;rchten laut Umfragen h&auml;ufig Nachteile, wenn sie Elternzeit nehmen. Gerade in der prek&auml;ren Phase ohne feste Stelle ist die Sorge vor der Elternzeit als Karrierebremse gro&szlig; &ndash; trotz Fortschritten: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz enth&auml;lt Regelungen f&uuml;r Kinder- und Elternzeiten, und bei Berufungen und Evaluationen wird das &bdquo;akademische Alter&ldquo; zunehmend ber&uuml;cksichtigt, etwa wenn private Faktoren herangezogen werden, um wissenschaftliche Leistungen vergleichbar zu machen. Der Monitoring-Bericht 2023 des Bund-L&auml;nder-Programms zur F&ouml;rderung des wissenschaftlichen Nachwuchses zeigt: 104 der 993 ernannten Tenure-Track-Professor:innen gingen f&uuml;r durchschnittlich sechs Monate in Elternzeit.
Jacobi von Wangelin ist &uuml;berzeugt, dass ihn seine Erfahrungen mit den Kindern zu einem flexibleren Chef gemacht haben: &bdquo;Ich bin empathischer und offener f&uuml;r pers&ouml;nliche Umst&auml;nde geworden, was ich als sehr wichtig erachte. Diese Ver&auml;nderungen bringen mehr Menschlichkeit ins Berufsleben und f&ouml;rdern einen respektvollen Umgang.&ldquo; Er hofft, dass sein Beispiel auch andere V&auml;ter inspiriert hat: &bdquo;Ich erhielt einige R&uuml;ckmeldungen, dass sich Kollegen meinetwegen getraut haben, Elternzeit zu beantragen. Und auch, dass sie es gut fanden, wie ich meine Kinder in den Arbeitsalltag integriert habe. Es besteht eine Offenheit, &uuml;ber familienbewusste Arbeitskulturen zu sprechen.&ldquo; Im Vergleich zu anderen Berufsfeldern sind Eltern in der akademischen Forschung in einem Punkt sogar privilegiert: Die eigenen Kinder in den Uni-Alltag einzubeziehen ist machbar. Eine Strategie, die Axel Jacobi von Wangelin auch genutzt hat: &bdquo;Ich sehe keine strikte Trennung von Berufs- und Privatleben. Unis bieten, anders als Industriefirmen, oftmals viele M&ouml;glichkeiten, Kinder zu integrieren. B&uuml;ro, Campus, Mensa, Seminarraum, sogar H&ouml;rsaal. &Uuml;berall k&ouml;nnen sich R&auml;ume bieten, Kinder zumindest zeitweise dabei zu haben. Regeln, die dagegen sprechen, gibt es kaum. Und wenn, dann muss man sie eventuell auch mal biegen.&ldquo; CR<img alt="image" src="https://eu-central-1.graphassets.com/Aype6X9u2QGewIgZKbFflz/cma252kww6kaj07umq8tt9u8g">Axel Jacobi von Wangelin mit seinen Kindern. Foto privat

„Ein Leben neben der Forschung ist möglich und bereichernd“

Leitartikel

Chancengleichheit f&uuml;r Frauen in Wissenschaft und Wirtschaft ist auch 25 Jahre nach der Gr&uuml;ndung des GDCh-Arbeitskreises Chancengleichheit in der Chemie (AKCC) keine Selbstverst&auml;ndlichkeit, sie muss immer wieder aktiv erk&auml;mpft werden. Wie h&auml;ufig wird beklagt, dass zu wenige Akademikerinnen Karriere und Familie vereinen, doch die Barrieren sind vielf&auml;ltig. Vor allem fehlen leider immer noch allzu oft Vorbilder f&uuml;r junge Frauen. Der Weg zum Erfolg in einer M&auml;nnerdom&auml;ne wie der Naturwissenschaft erfordert viel Mut. Als ich mich nach dem Abitur zwischen Geistes- und Naturwissenschaften entscheiden musste, w&auml;hlte ich Chemie &ndash; als Antwort auf die Erwartung, dass Frauen eher in Berufen wie dem der Lehrerin erfolgreich sein k&ouml;nnten. Diese Entscheidung war von Trotz gepr&auml;gt, aber auch von der Gewissheit, meinen eigenen Weg gehen zu wollen. W&auml;hrend des Studiums begegneten mir viele m&auml;nnliche Kommilitonen und Professoren. Negative Bemerkungen &uuml;ber Frauen in Naturwissenschaften lernte ich zu &uuml;berh&ouml;ren. Meine gro&szlig;artigen wissenschaftlichen Mentoren ermutigten mich, meine Karriere als Frau in der Wissenschaft weiterzuverfolgen.
W&auml;hrend meiner Postdoc-Zeit in den USA lernte ich, dass es durchaus m&ouml;glich ist, als Frau und Mutter erfolgreich zu sein. Diane Wittry, Dirigentin des Allentown Symphony Orchestra, war ein gro&szlig;es Vorbild f&uuml;r mich. Sie zeigte mir, dass Frauen unkonventionelle Wege gehen k&ouml;nnen, um erfolgreich zu sein.
Die Geburt meiner ersten Tochter hat mein Leben ver&auml;ndert. Ich habe sie bald nach der Geburt mit zu Vorlesungen und Besprechungen genommen und habe sichergestellt, dass sich Berufs- und Privatleben erg&auml;nzen, statt sich zu behindern. Es war anfangs schwierig, doch es war m&ouml;glich. W&auml;hrend meine Tochter noch ein Baby war, hat sie mich auf Konferenzen, in Meetings und bei meiner B&uuml;roarbeit begleitet. Als meine zweite Tochter geboren wurde, stand ich &ndash; nun in meiner Funktion als MPI-Direktorin &ndash; erneut vor der Frage, wie man Familie und Karriere in Einklang bringt. Von b&uuml;rokratischen Hindernissen lie&szlig; ich mich nicht entmutigen, sondern k&auml;mpfte f&uuml;r L&ouml;sungen, um meiner Arbeit nachzugehen, ohne auf meine Kinder verzichten zu m&uuml;ssen. Es war nicht immer einfach; oft musste ich um Unterst&uuml;tzung bitten, etwa f&uuml;r die Kinderbetreuung bei Begutachtungen. Doch auch meine zweite Tochter konnte mich zu wissenschaftlichen Terminen und durch meinen Arbeitsalltag begleiten. Es geht, wenn man konkrete Vorschl&auml;ge macht und die notwendigen &Auml;nderungen einfordert.
Der Weg zu echter Chancengleichheit ist oft ein individueller mit kreativen und neuen Ideen: Er erfordert die Entschlossenheit, sich gegen sinnlose Normen aufzulehnen und Ver&auml;nderungen einzufordern, sowie den Glauben, dass unkonventionelle L&ouml;sungen zu besseren Ergebnissen f&uuml;hren k&ouml;nnen. Beispiele sind Mentoring durch Shadowing &ndash; Nachwuchsforschende begleiten etablierte Wissenschaftlerinnen im Berufsalltag &ndash; oder auch Blind Auditions in der Wissenschaft &ndash; in Anlehnung an die Auswahl f&uuml;r ein Musikorchester &ndash; f&uuml;r Paper, Antr&auml;ge, Preise oder Bewerbungen.
Der Kampf um Chancengleichheit ist immer noch nicht gewonnen. Doch es ist m&ouml;glich, den Weg f&uuml;r die n&auml;chsten Generationen zu ebnen und sicherzustellen, dass Frauen in der Wissenschaft und Wirtschaft die gleichen Chancen haben wie ihre m&auml;nnlichen Kollegen.
Katharina Landfester ist Direktorin am Max-Planck-Institut f&uuml;r Polymerforschung in Mainz. 2016 bis 2023 geh&ouml;rte sie dem GDCh-Vorstand an.<img alt="image" src="https://eu-central-1.graphassets.com/Aype6X9u2QGewIgZKbFflz/cma252ikr7f3f06ufz8qldi5g">

Meinungsbeitrag

Ein Weg, der Mut erfordert

Wissenschaft + Forschung

Anfang M&auml;rz war ich mit meiner Familie in Berlin. Am Samstag wollten wir einkaufen und Kaffee trinken gehen. Pech &ndash; &uuml;berall verschlossene T&uuml;ren: Der Internationale Frauentag am 8. M&auml;rz ist Feiertag in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.
Ein Bekannter w&uuml;nschte mir per Messenger &bdquo;Alles Gute an die Betroffenen&ldquo;. Ein Freund schrieb, er verstehe, woher dieser Tag komme und der sei ja leider auch immer noch notwendig. Was aber daraus gemacht w&uuml;rde, n&auml;mlich ein Tag Aufmerksamkeit und dann 364 Tage kein Thema mehr, f&auml;nde er befremdlich.
Er hat recht. Und das ist auch der Grund, warum in diesem Heft ich hier schreibe und nicht wie &uuml;blich der Chefredakteur. Das bisschen Feierei gleicht die lebenslange Schei&szlig;e nicht aus. Der Weltfrauentag, ein feministischer Kampftag? Da kann ich nur lachen. Was Frauen wollen, sind Gleichstellung der Geschlechter, sexuelle Selbstbestimmung, gleichen Lohn f&uuml;r gleiche Arbeit und faire Arbeitsteilung. Was Frauen bekommen, sind Blumen. Au&szlig;erdem nat&uuml;rlich: ein schlechtes Gef&uuml;hl eingeredet (wenn wir uns abweichend von der Norm verhalten) sowie Rechte und Kompetenzen abgesprochen (letztmals vor wenigen Wochen, als ein Autor einen von mir redigierten Text erst akzeptierte, als der Chef den gleichen Text in seinem Namen schickte). Ach ja, und nicht zu vergessen die sexuellen &Uuml;bergriffe (erstmals mit 14, ein Freund meines Vaters).
Betroffen bin aber nicht nur ich &ndash; als wei&szlig;e, deutschst&auml;mmige, studierte, heterosexuelle Cis-Frau in Deutschland bin ich sogar ziemlich privilegiert. Betroffen sind auch M&auml;nner, die gerne Elternzeit n&auml;hmen, exzellente Wissenschaftlerinnen, die ihre Karriere aufgeben, um Angeh&ouml;rige zu pflegen, oder Menschen, die sich nicht trauen, ihre Sexualit&auml;t oder ihre nicht heteronormativen Beziehungen &ouml;ffentlich zu machen. Weitere diskriminierte Menschen: Personen mit &bdquo;nicht deutschen&ldquo; Namen, M&auml;nner in Frauenberufen, kinderlose Frauen &ndash; oder andersherum: Frauen mit &bdquo;zu vielen&ldquo; Kindern. Und und und. Es braucht also keinen feministischen Kampftag. Es braucht einen Gleichstellungskampftag. F&uuml;r alle.
Wir haben uns in Berlin dann das Restst&uuml;ck der Mauer angeschaut. Die DDR hat sich Zeit ihres Bestehens geweigert, den Zweck dieses Bauwerks offen auszusprechen. &bdquo;Antifaschistischer Schutzwall&ldquo; hie&szlig; es offiziell, in Wahrheit sollte die Mauer die eigenen Leute einsperren. Und machen wir es nicht &auml;hnlich bei gesellschaftlicher Diskriminierung? &bdquo;Es ist doch schon so vieles besser geworden&ldquo; oder &bdquo;Das muss man aushalten&ldquo; hei&szlig;t es oft. Nein. Wir m&uuml;ssen die Mauern in unseren K&ouml;pfen einrei&szlig;en. Und daf&uuml;r gilt es zuerst einzusehen, dass es sie gibt.
Im Interskriptum schreibt normalerweise Chefredakteur Christian Remenyi. Aber dies hier ist ja das Schlaglichtheft Chancengleichheit. Also bekommt diesmal jemand anderes die Chance &ndash; n&auml;mlich Chefin vom Dienst Eliza Leusmann.

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Tangiert mehr als peripher