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Trendbericht
Makromolekulare Chemie 2023
Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt
Der Wunsch nach einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft befeuert die Forschung an biobasierten Polymeren und an Materialien mit maßgeschneiderten Lebenszyklen. Auch die Forschung an Energiespeichern bleibt wichtig. Ungebrochener Beliebtheit erfreuen sich zudem biomedizinische Materialien, von Polymertherapeutika bis zu Hydrogelen mit besonderer Struktur.
Nachhaltigkeit und Umwelt
Die Forschung an nachhaltigen Polymeren war divers aufgestellt und deckte alle Aspekte ab: von der biologischen Abbaubarkeit über biobasierte Rohstoffe, Lebenszyklusmanagement hin zur Verwendung von Abfallströmen.
Inmitten der Nachhaltigkeitsforschung an Polymeren stand im Jahr 2022 die Untersuchung, wie Kunststoffe toxikologisch wirken. So zeigten Laforsch und Team im Rahmen des Bayreuther SFB 1357, dass beinahe identische Polystyrolmikroplastikpartikel unterschiedlichen Ursprungs völlig unterschiedliche Partikel-Zell-Wechselwirkungen auslösen können und dass die Toxikologie von Mikroplastikpartikeln von deren Form und Größe abhängt.1,2)
Bioabbaubarkeit
Eine mögliche Lösung für das Problem, dass Mikroplastik und allgemein Kunststoffabfälle bioakkumulieren, sind abbaubare Polymere, die für viele Anwendungen möglich sind, von Strukturpolymeren bis zu weichen Biomedizinmaterialien. Dass biologisch abbaubar aber nicht automatisch kompostierbar heißt, erkannten Agarwal und Mitarbeitende und entwickelten ein Polyurethanderivat, das sich bei 45 °C nach drei Monaten vollständig zersetzt.3)
Abbaubarkeit lässt sich auch durch externe Stimuli kontrollieren. Pich, De Laporte und Mitarbeitende stellten beispielsweise mit mikrofluidischen Methoden pH-abbaubare supramakromolekulare Mikrogele her.4) Frisch, Poad und Team entwickelten ein Coumarindimer-basiertes Monomer, das radikalisch copolymerisiert – das resultierende Polymer zerlegt sich unter UV-Licht über eine Cycloeliminierung (Abbildung 1).5) Auf der Größenordnung von Assemblaten erreichten Sharma und Walther den Abbau von coassemblierten Mikrogelen: Die Materialien regulieren über einen Rückkopplungsmechanismus ihre eigene Zerstörung über den pH-Wert.6) Im Gegensatz zu externen Stimuli kann solch eine programmierte Zerstörung autonom geschehen.
Der Lebenszyklus eines Polymers lässt sich durch die Abbaubarkeit nicht nur verkürzen, sondern auch verlängern. Laschewsky, Rosenhahn und Mitarbeitende synthetisierten hierzu zwitterionische Poly(sulfabetaine) mit Foulingresistenz.7) Solche Ansätze können dafür sorgen, dass Polymerbeschichtungen in Biomedizinmaterialien länger halten. Göstl und Team stellten Mikrogele her, die einen supramolekularen Catechinvernetzer enthalten; dies machte die kolloidalen Netzwerke gegen Scherkraft in Lösung um mehrere Größenordnungen widerstandsfähiger.8) Indem sie Wasser gegen kurzkettiges Polyethylenglykol (PEG) austauschten, stellten Levkin und Mitarbeitende mechanisch äußerst robuste und selbstheilende PEG-basierte Gele her, die sich für ähnliche Einsatzbereiche wie Hydrogele eignen, etwa für tragbare Elektronik, weiche Aktuatoren und Robotik.9)
Strukturpolymere
Ein anderes wichtiges Forschungsfeld ist die Synthese biobasierter Polymere, die ähnliche Eigenschaften wie Strukturpolymere besitzen. Bruns und Mitarbeitende fügten in einem bioinspirierten Ansatz Poly(β-benzyl-l-aspartat)-Blöcke zwischen Vernetzungspunkten und Kettensegmenten von Polydimethylsiloxan (PDMS) ein; es entstanden peptidverstärkte Netzwerke mit hoher Dehnbarkeit, Bruchstärke und Zähigkeit.10)
Shastri und Mitarbeitende stellten nanostrukturierte Doppelnetzwerke aus Polysacchariden marinen Ursprungs dar, mit vergleichbaren Eigenschaften wie synthetische Polymere.11) Ein biobasiertes, recycelbares Vitrimer entwickelten Besenius und Mitarbeitende;12) Rieger und Team wiederum nutzten die Ringöffnungspolymerisation von Norcampher.13)
Die isocyanatfreie Synthese von Polyurethanen basierend auf erneuerbarem 2,3-Butandiol gelang Meier und Mitarbeitenden.14) Polydiene aus biobasiertem β-Myrcen synthetisierten Frey, Müller und Team.15) Schulz und Mitarbeitende präsentierten hingegen neue Mg-basierte Katalysatoren für die Ringöffnungspolymerisation von l-Lactid sowie ε-Caprolacton.16) Mecking und Schunk gelang es sogar, Monomerbausteine für die Metathesepolymerisation aus Fettsäuren in lebenden Algen herzustellen.17)
Nachhaltig ist es auch, aus industriellen Abfällen neue Materialien herzustellen. So synthetisierten Levkin, Theato und Mitarbeitende mit Schwefel, der industriell im Megatonnenmaßstab anfällt, einfach zu verarbeitende Elastomere, und zwar durch eine inverse Vulkanisation mit einer Mischung aus Norbornenylsilanen.18)
Polymere für die Energiewende
Damit die Energiewende gelingt, ist es nötig, elektrische Energie aus regenerativen Quellen, die tageszeit- sowie wind- und wetterabhängig entsteht, zu speichern. Da hierfür überwiegend Li-Ionen-Akkumulatoren verwendet werden, ist die relative Knappheit der Li-Reserven ein Problem. Als Lösung entwickelten Feng, Yu, Liu und Mitarbeitende eine ultraschnelle Anode für Na+-basierte Batterien, die durch die Assemblierung von Nb4C3 auf Polystyroltemplaten entstanden ist.19)
Schubert und Team zeigten, dass eine einzelne redoxaktive Einheit, Poly(tempo-Methacrylat), die Eigenschaften einer organischen Radikalbatterie mit denen einer Redoxflussbatterie kombiniert. So ließe sich gänzlich auf Metalle verzichten.20)
Festkörperelektrolyten erniedrigen den Kühlaufwand beim Betrieb einer Batterie. Pazhaniswamy, Agarwal und Mitarbeitende entwickelten dafür Polymerelektrolytkathodenpartikel für eine Raumtemperaturfeststoffbatterie.21)
Grundsätzlich untersuchten Erabhoina und Thelakkat, wie die Morphologie der LiFePO4-Kathode die Eigenschaften von Feststoffbatterien mit Polymernanokompositelektrolyten beeinflusst.22)
Auch Polymergelelektrolyten erlauben es, die Batterie bei Raumtemperatur zu betreiben, wie Buchmeiser und Team entdeckten.23) Binder und Mitarbeitende hingegen nutzten die dynamischen Wasserstoffbrückenbindungen des Ureidopyrimidon(UPy)-Motivs, um einen 3-D-druckbaren und in Grenzen selbstheilenden Polymerelektrolyt zu entwickeln. Dieser soll die Lebensdauer von Batterien verlängern.24)
Auch an Elektrodenmaterialien wurde geforscht: Kühne und Mitarbeitende entwickelten ein 3-D-druckbares Polyacrylnitrilcopolymer für Kohlenstoffsuperkondensatorelektroden mit hoher elektrischer Kapazität.25) Abseits von Batterien entwickelten Abetz, Klassen und Mitarbeitende bessere Speicherpolymere für H2.26)
Energiewende bedeutet auch, bewusster mit Energie umzugehen und den Energiebedarf bei gleichzeitigem Erhalt der Lebensqualität zu senken. Dies lässt sich beispielsweise durch das Steuern der Temperatur von Innenräumen erreichen. Hierfür präsentierten Feng, Dong, Reineke und Mitarbeitende einen Viologen-funktionalisierten 2-D-Polymerfilm, der sich möglicherweise als elektrochrome Einheit in solarbetriebenen Smart Windows eignet (Abbildung 2).27) Song, Retsch und Team entwickelten hingegen eine Methode, um die passiven Kühlungseigenschaften von PDMS-Filmen basierend auf deren Brechungsindex durch die Filmdicke zu optimieren.28)
Im Fokus standen 2022 also die Bemühungen, elektrische Energie besser zu speichern. Funktionspolymere für energieintelligente Anwendungen wurden zwar erforscht, spielten aber in der Grundlagenforschung eher eine untergeordnete Rolle.
Biomedizinische Materialien
Biomedizinische Anwendungen waren auch im Jahr 2022 in der Polymerforschung wichtig. Insbesondere betraf dies neben Polymeren für Wirkstofftransport und -freisetzung polymere Wirkstoffe und strukturierte Polymere für beispielsweise Zellkulturen und Implantate.
Nicht erst seit der Entwicklung des mRNA-basierten Covid-19-Impfstoffs ist der Transport von Polynukleotiden als Wirkstoff ein bekanntes Problem. Um zum Beispiel den unerwünschten Abbau von siRNA zu verhindern, entwickelten Barz und Team Polyionmizellen aus Polypeptidtriblockcopolymeren, die siRNA transportieren.29)
Verkapseln und freisetzen
Das Verkapseln und Freisetzen von Wirkstoffen bearbeiteten viele Forschende. So entwickelten Calderón und Team ein thermoresponsives plasmonisches Nanogel, um mit nahem Infrarotlicht Chemotherapeutika freizusetzen.30) Landfester, da Silva und Cao hingegen aktivierten mit Licht den Membrantransport in polymeren Zellimitaten.31)
Mit nahem Infrarotlicht erzeugten Haag, Cheng, Trampuz und Mitarbeitende mit einem Bionanokatalysator reaktive Sauerstoffspezies, die dann Bakterien ortsaufgelöst abtöten.32) Klinger und Team untersuchten, wie die Amphiphilie von Nanogelen als Trägerstrukturen deren Aufnahme durch die Haut beeinflusst.33) Geladene Vesikel als Template für polymere Nanokapseln entwickelten Gradzielski und Mitarbeitende.34) Herrmann, Huo und Mitarbeitende entwarfen Goldnanopartikeldimere, die durch Polynukleotidaptamere verbunden sind und Chemotherapeutika aufnehmen. Die ultraschallaktivierte Auffaltung und Bindungsspaltung dieser Aptamere setzte den Wirkstoff Doxorubicin frei.35)
Darüber hinaus entwickelten einige Gruppen Polymermaterialien, die potenziell für Wirkstofftransport und -freisetzung nützlich sind: Schacher und Mitarbeitende synthetisierten amphiphile Pfropfcopolymere, um Duftstoffe freizusetzen,36) Comunian und Team erforschten die Koazervatkomplexbildung von Gummi arabicum und Erbsenprotein,37) Zeiniger und Team zeigten die chemotaktische Bewegung von Janus-Tröpfchen38) und Appelhans, Gallei und Mitarbeitende redox- und pH-responsive Polymersome.39)
Biomedizinisch wirksam
Entwickelt wurden auch unmittelbar biomedizinisch wirksame Polymere. Beispielsweise präsentierten Nuhn, Schild, Grabbe und Team ein Nanogel, das sich sowohl mit einem Antigen als auch mit einem Immunadjuvans funktionalisieren ließ. Damit vereinigte es die Eigenschaften mehrerer Impfkomponenten in einem Material (Abbildung 3).40) Das könnte in Zukunft die Entwicklung maßgeschneiderter Impfungen vereinfachen.
Andere potenzielle Polymertherapeutika entwarfen beispielsweise Kempe, Leiske und Mitarbeitende mit zwitterionischen Aminosäure-abgeleiteten Polyacrylaten, die spezifisch zytotoxisch gegen Krebszellen wirken.41) Gleichsam untersuchten Hartlieb und Team die Struktur-Eigenschaftsbeziehungen antimikrobieller Polymerbürsten.42) Ebenfalls antimikrobielle Eigenschaften wiesen die Polyethersulfonmembranen auf, die Börner und Mitarbeitende entworfen und mit Photosensibilisatoren ausgerüstet hatten.43)
Fortschritte in der Synthese biomedizinisch wirksamer Makromoleküle erzielten Hartmann, Snyder und Hoffmann: Ihnen gelang die Festphasensynthese von sulfatierten Glykomakromolekülen als Analoga für biologisch aktive sulfatierte Glykosaminoglykane.44) Ebenfalls auf der Festphase synthetisierten Delbianco und Mitarbeitende sulfatierte Oligosaccharide.45)
Strukturell wirksam
Zusätzlich zu ihrer biomedizinischen Wirksamkeit wurden Polymere als strukturelle funktionale Biomaterialien eingesetzt. Beispielsweise eignen sich einige dynamische Polymerhydrogele als extrazelluläres Gerüst für das Zellwachstum. De Laporte und Mitarbeitende setzten dafür funktionalisierte Mikrogelstäbchen ein, die sie zu weichen, makroporösen Matrixpolymeren vernetzten (Abbildung 4), um Zellen in 3-D zu kultivieren.46)
Groll, Cicha und Mitarbeitende entwickelten eine Strategie, um biomimetisch strukturierte durchlässige mikrovaskulare Netzwerke mit funktionalem Endothel in Hydrogelen zu drucken.47) Die additive Fertigung von biomedizinischen Materialien nutzten auch Vogel und Team, die mit Pulversintern bioaktive und bioabbaubare Polylactidkomposite herstellten.48)
Ein Implantatpolymergitter basierend auf Polyesteretherurethan entwickelten Lendlein, Ma und Mitarbeitende: Es gestattet die Infiltration durch Makrophagen und könnte daher nützlich sein, um die Folgen von Herzinfarkten zu behandeln.49) Deutlich steifere Doppelnetzwerkhydrogele basierend auf Poly(2-oxazolin) und Poly(acrylsäure) entwickelten Tiller und Team; sie erhielten Materialien mit knorpelähnlichen mechanischen Eigenschaften.50)
Injizierbare Hydrogele
Auch injizierbare Hydrogele können für biomedizinische Anwendungen relevant sein. So entwickelten Brendel, Catrouillet und Mitarbeitende ein strukturviskoses Hydrogel, das sich durch die supramolekulare Selbstassemblierung von Nanofasern bildet.51)
Ganz andere Zell-Material-Interaktionen zeigte das Material von Rodriguez-Emmenegger und Team: ionische Combisome, die sowohl mit Liposomen als auch mit lebenden Bakterien fusionieren.52)
Die relative Häufigkeit von Beiträgen aus der makromolekularen Chemie in der Biomedizin zeigt, wie bedeutend und beliebt dieses Forschungsfeld ist. Vom weichen Hydrogel über biomimetische Strukturen bis hin zu zähen Implantaten sind viele Eigenschaftsbereiche von Makromolekülen vertreten. Es ist absehbar, dass in Zukunft die dynamischen und komplexen Interaktionen von lebenden Systemen und Materie immer wichtiger werden.
Erleuchtete Polymere
Licht erfreut sich als Stimulus wegen seiner hohen räumlich-zeitlichen Auflösung sowie der einfachen Verfügbarkeit und Handhabung von LEDs ungebrochen steigender Beliebtheit – auch für Reaktionen zu, von und mit Polymeren. So entwickelten Hartlieb und Team eine Form der radikalischen Polymerisation (reversible-addition-fragmentation chain-transfer, RAFT) weiter: die Photoiniferter-RAFT-Polymerisation, die für RAFT unüblich hohe Molmassen und niedrige Dispersitäten erzielte.53)
Weiterhin präsentierten Andrieu-Brunsen und Mitarbeitende eine lichtinduzierte Photoelektronentransfer-RAFT-Polymerisation für die asymmetrische Oberflächenfunktionalisierung von Silica-Mesoporen.54)
Strehmel, Chen und Mitarbeitende verknüpften Kohlenstoffpunkte mit Porphyrinen zu einem kovalenten organischen Netzwerk. Dieses setzten sie als lichtgesteuertes Reduktionsmittel für eine photoradikalische Atomtransferpolymerisation (atom transfer radical polymerisation, ATRP) ein.55)
Gaitzsch und Mitarbeitende untersuchten die radikalische Ringöffnungspolymerisation von 2-Methylen-1,3-dioxepan und erhielten Poly(ε-caprolacton)-analoge Polymere mit niedriger Kristallinität.56)
Gallei, Balzer und Team machten nanoporöse Blockcopolymermembranen mit UV-Licht in einem Vernetzungsprozess lösungsmittelresistenter als zuvor.57) Dazu nutzten sie Benzophenon-basierte Comonomere als lichtresponsive Vernetzer.
Barner-Kowollik und Mitarbeitende entwickelten eine neue Methode, um Polymermikropartikel ganz ohne Initiator, Tensid, Additive oder Erwärmen herzustellen.58) Diese Technik steht im Gegensatz zu etablierten mehrphasigen Polymersynthesen (zum Beispiel der Emulsionspolymerisation) und basiert auf einer Diels-Alder-Stufenwachstumspolymerisation, bei der das Dien erst durch eine Photoenolisierung mit Licht entsteht (Abbildung 5).
Polymere dienten auch dazu, sekundäre Reaktionen mit Licht zu steuern. Löffler, Zhang und Mitarbeitende steuerten beispielsweise chemische Reaktionen in Femtolitervolumina mit einer Lasertechnik (laser-induced forward transfer, LIFT).59) Als Laserabsorber verwendeten sie ein Komposit aus Polyvinylalkohol, Polyethylenglykol und Hämatit.
Palmans und Eisenreich trifluormethylierten Aromaten mit photoredoxaktiven amphiphilen Einzelkettenpolymernanopartikeln.60)
Ng, Weil und Mitarbeitende rüsteten DNA-Origamiröhrchen mit Photosensibilisatoren aus und polymerisierten damit auf deren Oberfläche Katecholaminmonomere mit Licht.61) Dadurch funktionalisierten sie die Oberfläche der Röhrchen mit räumlicher Auflösung.
Die besondere räumlich-zeitliche Auflösung von Licht ist auch ideal für Anwendungen in der Lithografie. Topolniak und Mitarbeitende strukturierten über die Multiphotonenlithografie hochaufgelöst Polydopaminoberflächen.62) Blasco und Team entwickelten eine Formgedächtnistinte für den 4-D-Druck (mit der Zeit als vierter Dimension, Abbildung 6).63) Damit programmierten sie ein Formgedächtnis in additiv gefertigte Polymere.
Polymeranalytik
Im Jahr 2022 dominierte in der Polymeranalytik der Wunsch, Struktur und mechanische Eigenschaften zu verstehen. So bestimmten Scotti und Mitarbeitende Module weicher Nanogele mit Kleinwinkelneutronenstreuung (Sans).64) Karg, Meijer und Team klärten mit der Kleinwinkelröntgenstreuung (Saxs) den Strukturfaktor und den Volumenanteil von Kern-Schale-Mikrogelen auf.65) Bei kristallinen Polymeren verfolgten Thurn-Albrecht, Saalwächter und Mitarbeitende mit Saxs die intrakristalline Kettendiffusion von Polyoxymethylen. Sie untersuchten die Abhängigkeit der Lamellendicke von der Kristallisationsdauer.66)
Zusätzlich zur Strukturaufklärung untersuchen neue Methoden die mechanischen Eigenschaften von Polymeren. Wilhelm und Mitarbeitende korrelierten beispielsweise die Segmentmobilität mit den mechanischen Eigenschaften während der Hydrogelsynthese mit einem kombinierten Aufbau aus Rheologie und 1H-NMR-Relaxometrie (Abbildung 7).67) Weiterhin bestimmten Sommer und Team die Verschlaufungsmolmassen von Polyphenylenen mit mechanochromen Donor-Akzeptor-Torsionsfedermolekülen in Zug-Dehnungs-Experimenten über die Fluoreszenzänderung.68)
Göstl und Mitarbeitende machten mechanofluorochrome Vernetzer anwendbar auf die Bruchanalyse von Elastomerpartikel-verstärkten Epoxykompositen.69) Fery, Besford und Mitarbeitende entwickelten schließlich mechanofluorochrome Polymerbürsten, die den Solvatationsgrad an der Oberfläche ortsaufgelöst anzeigen.70)
Drei Fragen an den Autor: Robert Göstl
Welche Methode wurde in den letzten zwölf Monaten vermehrt genutzt, die auch Sie für Ihre Forschung brauchen?
Das gesteigerte Interesse an lichtaktivierbaren molekularen Einheiten wird sicher unsere eigenen Arbeiten an multiresponsiven Materialien mit seriell oder parallel verknüpften Stimuli einfacher machen.
In welchem Gebiet erwarten Sie in den nächsten zwölf Monaten die größten Entwicklungen und warum?
Ich denke, dass die Forschung an Polymeren für Wirkstofftransport und -freisetzung demnächst noch mehr aufblühen wird. Völlig neue mRNA-Therapien gegen Krebs und bisher schwer behandelbare Krankheiten stehen in den Startlöchern, zum Beispiel bei Biontech. Hier wird der Transport eine ebenso große Rolle spielen wie der Wirkstoff selbst.
Welche Anregung hat Ihnen das Sichten der Trendberichtliteratur für Ihre eigene Forschung geliefert?
Klare Anwendungen sind verständlicherweise ansprechend. Dennoch bin ich froh darüber, dass es einige exzellente, grundlegende Untersuchungen ohne unmittelbar ersichtliche Anwendungen in die renommiertesten Journale geschafft haben.
Robert Göstl, Jahrgang 1986, hat als Reimund-Stadler-Preisträger 2022 den Trendbericht geschrieben. Er leitet seit dem Jahr 2017 eine unabhängige Forschungsgruppe am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und hat sich 2023 an der RWTH Aachen habilitiert. Seine Gruppe untersucht mechano- und photoresponsive Polymermaterialien. goestl@dwi.rwth-aachen.de
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- 62 I. Topolniak, A. M. Elert, X. Knigge et al., Adv. Mater. 2022, 34, 2109509
- 63 C. A. Spiegel, M. Hackner, V. P. Bothe, J. P. Spatz, E. Blasco, Adv. Funct. Mater. 2022, 32, 2110580
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- 65 M. Hildebrandt, S. Lazarev, J. Pérez et al., Macromolecules 2022, 55, 2959 – 2969
- 66 M. Schulz, M. Schäfer, K. Saalwächter, T. Thurn-Albrecht, Nat. Commun. 2022, 13, 119
- 67 C. Fengler, J. Keller, K.-F. Ratzsch, M. Wilhelm, Adv. Sci. 2022, 9, 2104231
- 68 M. Raisch, G. Reiter, M. Sommer, ACS Macro Lett. 2022, 11, 760 – 765
- 69 M. Stratigaki, C. Baumann, R. Göstl, Macromolecules 2022, 55, 1060 – 1066
- 70 Q. A. Besford, H. Merlitz, S. Schubotz et al., ACS Nano 2022, 16, 3383 – 3393
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