Gesellschaft Deutscher Chemiker

Analytische Chemie

Tattoopigmente in der Haut

Nachrichten aus der Chemie, Oktober 2023, S. 55-58, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Tätowieren ist beliebt: Jüngsten Studien zufolge sind etwa zwölf Prozent aller Europäer tätowiert, Tendenz steigend. Die Risiken sind jedoch noch nicht vollständig untersucht. Wenn die tätowierte Haut juckt oder anschwillt, hilft eine Analyse von Hautbiopsien dabei, die Ursachen zu ermitteln.

Tätowierfarben sind ein komplexes Gemisch verschiedener Substanzen, die bei einer Tätowierung im menschlichen Körper verbleiben. Sie enthalten eine Trägerflüssigkeit, zumeist Wasser oder kurzkettige Alkohole. Hinzu kommen die farbgebenden Pigmente und Additive, die die technischen Eigenschaften der Farben beeinflussen. Das sind vor allem Bindemittel, Suspensionsmittel, Antischaummittel oder Konservierungsstoffe.

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Wenn Tattoofarben in die Haut gestochen werden, kann es zu unerwünschten Hautreaktionen kommen. Foto: patronestaff / Adobe Stock

Den größten Teil einer Tätowierfarbe machen Pigmente aus, die sich durch ihre niedrige Löslichkeit in Wasser und vielen organischen Lösungsmitteln auszeichnen. Diese Eigenschaft ist essenziell, damit ein Tattoo lebenslang erhalten bleibt.

Die Pigmente lassen sich in anorganische und organische Pigmente einteilen. Während historisch meist anorganische Pigmente wie Cadmiumsulfid oder Quecksilbersulfid eingesetzt wurden, enthalten Tätowierfarben heutzutage Eisenoxide als rötliche (Hämatit, Fe2O3) bis schwarze (Magnetit Fe3O4) Pigmente sowie Titandioxid als Weißpigment. Als Schwarzpigment dient hauptsächlich Ruß (Carbon Black), das aus unvollständigen Verbrennungsprozessen von organischem Material gewonnen wird.

Die Farbvielfalt der Tattoos entsteht vor allem durch organische Pigmente, die in verschiedene Substanzklassen eingeteilt werden. Sie lassen sich anhand ihrer Struktur in polycyclische Pigmente wie Phthalocyanine oder Chinacridone und in Azopigmente einteilen (Abbildung 1). Die Azopigmente (-N=N-) liegen zum Großteil in ihrer tautomeren Hydrazonform (-NH-N=) vor.1–3)

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Zusammensetzung von Tätowierfarben. Für die organischen Pigmente sind beispielhafte Strukturen aus der Substanzklasse der polycyclischen Pigmente und der Azopigmente gezeigt (PR = Pigment Red, PB = Pigment Blue, PV = Pigment Violet, PY = Pigment Yellow). Darüber hinaus sind Beispiele für die meistgenutzten anorganischen Pigmente sowie häufig vorkommende Additive gelistet.1–3)

Verunreinigungen und Nebenprodukte

Alle Pigmente werden industriell gefertigt und sind hauptsächlich für Druckfarben, Autolacke oder Wandfarben vorgesehen. Die Reinheit der Pigmente liegt oft zwischen 70 und 90 Prozent. Welche Verunreinigungen vorkommen, hängt von der Substanzklasse ab. Es können beispielsweise polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) in Carbon Black vorkommen, primäre aromatische Amine (PAA) in Azopigmenten sowie Schwermetalle wie Nickel, Cobalt und Chrom in eisenbasierten Pigmenten. Zusätzlich treten Nebenprodukte und Vorstufen der Synthese auf. Je nach Syntheseroute und Hersteller ist das Verunreinigungsprofil also unterschiedlich.

Aufgrund der geringen Löslichkeit der Pigmente werden sie zumeist durch Fällungsprozesse hergestellt und in der Regel ohne weitere Aufreinigung verwendet. Damit landen die Pigmente inklusive ihrer Verunreinigungen in Tätowierfarben und gelangen beim Tätowieren in die Haut und den gesamten Organismus. Darüber hinaus können sie durch UV-Licht der Sonne oder durch Laserbestrahlung beim Entfernen eines Tattoos in Produkte zerfallen, die toxikologisch bedenklich sind.1,3)

Verbraucherschutz bei Tätowierfarben

Seit Mai 2009 ist in Deutschland die Tätowiermittel-Verordnung in Kraft, zu der eine Negativliste mit Einschränkungen für ausgewählte Pigmente in Tätowierfarben gehört. Diese orientiert sich an einer nicht bindenden europäischen Resolution, die in zehn europäischen Staaten in nationales Recht umgesetzt wurde. Trotz der Regelungen wurden in diversen Studien immer wieder Verstöße und Falschdeklarationen der verwendeten Pigmente festgestellt.

Um den Verbraucherschutz zu erhöhen, wurde mit der neuen Verordnung (EU) 2020/2081 im Jahr 2020 erstmals der Grundstein für eine einheitliche europäischen Gesetzgebung für Tätowiermittel gelegt. Statt einer eigenen Verordnung wurde Anhang XVII der Verordnung (EG) 1907/2006 verändert, die sich mit der Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien (Reach) befasst. Dadurch sind nach Inkrafttreten und speziellen Übergangsfristen im Jahr 2023 über 4000 Substanzen für den Einsatz in Tätowierfarben beschränkt. Bei vielen der verbotenen Pigmente fehlt es bisher an Toxizitäts- und intradermalen Expositionsdaten, um Gefahren realistisch einzuschätzen und Grenzwerte abzuleiten. Welchen Effekt die Verordnung daher auf den Verbraucherschutz haben wird, ist noch unklar und wird kontrovers unter Tätowierern, Herstellern, Dermatologen und Chemikern diskutiert.4,5)

Hautreaktionen

Bei Tätowierungen können Komplikationen auftreten, die vom Jucken des Tattoos in der Sonne bis zu ernsthaften (Haut-)Reaktionen reichen. Die Beschwerden können bereits kurz nach der Tätowierung auftreten, teilweise aber auch erst Jahre bis Jahrzehnte danach.

Die Komplikationen lassen sich in infektiöse und nichtinfektiöse Reaktionen einteilen. Zu den infektiösen Reaktionen zählen lokale bakterielle Infektionen der Haut und systemische Infekte mit Viren wie Hepatitis und HIV. Ursachen können unzureichende Hygiene während der Herstellung der Farben, während des Stechens oder während der Nachpflege sein. Die Auslöser für nichtinfektiöse Hautreaktionen sind größtenteils ungeklärt. Zu letzteren zählen allergische Reaktionen, Fremdkörperreaktionen oder die Manifestation von Autoimmunerkrankungen.

Allergische Hautreaktionen kommen besonders oft bei roten Tattoos vor. Bei verzögerten allergischen Hautreaktionen wird davon ausgegangen, dass sich die auslösenden Allergene durch Reaktionen der persistenten Bestandteile über längere Zeit in der Haut bilden.6–8)

Analytische Methoden

Um die persistenten Bestandteile, vor allem die Pigmente in der Haut chemisch zu charakterisieren, werden Biopsien von unerwünschten Hautreaktionen untersucht. Die Entwicklung analytischer Verfahren zur Identifizierung von Pigmenten in Hautproben ist aufgrund ihrer begrenzten Löslichkeit, der komplexen Matrix sowie einer inhomogenen Verteilung im Gewebe eine Herausforderung. Für eine umfassende Analytik und Erfassung möglicher Reaktionsursachen müssen sowohl element- als auch molekülspezifische Methoden angewandt werden (Abbildung 2).

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Mögliche Schritte bei der Analytik tätowierter Hautproben mit Hautreaktion.

Nach einer Probennahme, beispielsweise einer Stanzbiopsie, kann die Probe chemisch aufgeschlossen oder enzymatisch verdaut werden. Eine Alternative sind Dünnschnitte, die sich zusätzlich für eine histologische Untersuchung eignen. Hierbei werden meist formalinfixierte, in Paraffin eingebettete (FFPE) Proben verwendet, die vor der Analyse gegebenenfalls entparaffiniert werden müssen.

Um anorganische Pigmente in Formulierungen oder Hautproben zu identifizieren, eignet sich die Röntgenfluoreszenzanalyse (XRF). Eine bildgebende Variante stellt die mikro-XRF (µXRF) dar, bei der die Ortsauflösung die Unterscheidung von körpereigenen Elementen und die Korrelation von Elementsignalen mit sichtbaren Pigmentablagerungen in der optischen Mikroskopie ermöglicht. Da eine Quantifizierung aufwendig und die Sensitivität eingeschränkt ist, dient diese Methode vor allem als zerstörungsfreie Screening-Methode auf Elemente in anorganischen Pigmenten und Heteroatome in organischen Pigmenten.9)

Um metallische Verunreinigungen zu bestimmen, können nachweisstärkere Methoden wie die induktiv gekoppelte Plasma-Massenspektrometrie (ICP-MS) angewandt werden. Das Gewebematerial kann vorher mit Mikrowellen aufgeschlossen oder bildgebend mit der Laserablations(LA)-ICP-MS untersucht werden. Mit einer externen Kalibration mit matrixangepassten Standards lassen sich dabei Metalle direkt im Gewebe ohne Extraktionsschritte quantifizieren.7,10)

Organische Pigmente können mit schwingungsspektroskopischen Techniken wie Ramanspektroskopie oder Infrarotspektroskopie (IR) identifiziert werden. Diese Methoden weisen eine hohe Analysengeschwindigkeit, aber eine geringe Selektivität auf, da sie eher funktionelle Gruppen als einzelne Moleküle nachweisen.

Flüssigchromatographische Methoden sind aufgrund der geringen Löslichkeit der Analyten auf wenige Pigmente begrenzt und erfordern eine aufwendige Probenvorbereitung wie Enzymaufschlüsse oder Extraktionen aus dem Gewebe.

Eine weitere, universellere Möglichkeit, organische Moleküle zu charakterisieren, bietet die Laserdesorptions-/Ionisations(LDI)-MS, oder die Matrix-assistierte LDI-MS (Maldi-MS). Die Zugabe einer stark absorbierenden Matrix in der Maldi-MS kann die Signalintensität der Pigmente im Vergleich zu LDI-MS erhöhen. Aufgrund des großen konjugierten π-Systems und der Absorptionsmaxima im Wellenlängenbereich der eingesetzten Laser lassen sich die meisten Pigmente ohne zusätzliche Matrix selektiv ionisieren. Auch hier sind Extraktions- und Aufschlussschritte verzichtbar, und die Analyse kann direkt auf dem Gewebe erfolgen.

Um die Strukturvielfalt der organischen Pigmente abzudecken, bietet es sich an, spektrale Datenbanken zu nutzen.9,11,12) Hierfür werden reine Pigmente vermessen und die erzeugten Spektren in einer Datenbank hinterlegt. Spektren tätowierter Haut können dann mit der Datenbank abgeglichen und zugeordnet werden.9)

Pigmente in Hautproben

In einem kombinierten Ansatz aus bildgebender µXRF und LDI-MS wurden 68 Hautbiopsien mit Unverträglichkeitsreaktionen im tätowierten Bereich untersucht. Elementseitig wurden vor allem Titan (in 56 Prozent der Proben) und Eisen (35 Prozent) nachgewiesen. Das ist ein deutlicher Hinweis auf den Einsatz von Titandioxid und Eisenoxiden.

Die am häufigsten identifizierten organischen Pigmente waren die Chinacridone Pigment Red (PR) 122 (40 Prozent) und Pigment Violet (PV) 19 (31 Prozent) sowie die Naphthol-AS-basierten Pigmente PR 170 (40 Prozent) und PR 266 (28 Prozent). Auch Pigment Blue (PB) 15 als Phthalocyanin wurde in 31 Prozent der Proben detektiert. Ein häufiges gemeinsames Vorkommen wurde für PR 122 und Ti, sowie PR 170 und PR 266 festgestellt. Eine Mischung der beiden Naphthol-AS-Pigmente PR 170 und PR 266 wird unter dem Namen PR 210 in Tätowiermitteln eingesetzt. Daher kommen sie in Hautproben häufig gemeinsam vor. Chemisch unterscheiden sich die beiden Strukturen lediglich in einer Ethoxy- beziehungsweise Methoxy-Substitution.9) Den Arbeitsablauf für die Studie zeigt Abbildung 3.

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Beispielhafter Arbeitsablauf für komplementäres Bioimaging tätowierter Hautbiopsien, bei denen die Haut im tätowierten Bereich unerwünschte Reaktionen gezeigt hat. 1. Mit optischer Mikroskopie werden die Pigmente in der oberen Hautschicht unterhalb der Epidermis lokalisiert. 2. Die µXRF detektiert zerstörungsfrei stark konzentrierte Elemente. Das Element Schwefel wird dazu genutzt, die Gewebestruktur darzustellen. 3. Auf dem gleichen Schnitt werden organische Pigmente mit LDI-MS und anschließendem Datenbankabgleich identifiziert. Beim Vergleich des Titansignals und dem der beiden organischen Pigmente fällt eine ähnliche Verteilung auf, die sich mit den Pigmentablagerungen in der optischen Mikroskopie deckt.

Chemische Analytik als Puzzlestück

Ob und in welcher Weise die Hautreaktionen mit den identifizierten Pigmenten oder deren Abbauprodukten und Verunreinigungen in Zusammenhang stehen, ist bisher unklar. Eine häufige Detektion bestimmter Pigmente kann einen Hinweis auf mögliche Gefahren oder Zusammenhänge geben. Die genaue Ursache der Hautreaktionen herauszufinden, erfordert einen interdisziplinärer Ansatz. Eine medizinische Diagnose und histologische Untersuchung sollten immer von einer chemischen Charakterisierung begleitet werden. Zusätzlich sollte bei allergischen Reaktionen ein Allergietest durchgeführt werden.

Nicht nur die Ursachen von Hautreaktionen auf Tätowierungen sind noch unerforscht, sondern es fehlen auch die Daten, um Metabolismus und Abbau von Tätowierfarben im Organismus zu verstehen. Diese Wissenslücken müssen gefüllt werden, um Verbraucher besser zu schützen, die Gefahr von Tätowiermitteln richtig einzuschätzen und die Menge unerwünschter (Haut-)Reaktionen zu senken.

Die Autoren

Diesen Beitrag haben Carina Wolf (Foto), Corinna Brungs und Uwe Karst verfasst. Wolf promoviert in der Gruppe von Karst an der Universität Münster und entwickelt analytische Methoden, mit denen sie tätowierte Hautproben untersucht. Brungs promovierte in der Gruppe von Karst an der Universität Münster auf dem Gebiet der Tattoopigmentanalytik. Derzeit ist sie Postdoc am Institut für Organische Chemie und Biochemie der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. Karst ist Professor für analytische Chemie am Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Münster und entwickelt analytische Kopplungstechniken zur Untersuchung von biologischen, Umwelt- und Materialproben.https://media.graphassets.com/j0Us2MmQVy4Bnpb0xshS

AUF EINEN BLICK

Tätowiermittel sind komplexe Gemische aus anorganischen oder organischen Pigmenten und Hilfsstoffen. Vor allem die unlöslichen Farbpigmente verbleiben bei einer Tätowierung lebenslang im Körper.

Nach Tätowierung kann es zu unangenehmen Hautreaktionen kommen. Die Ursachen dafür sind größtenteils ungeklärt.

Mit element- und molekülspezifischen Analysenmethoden lassen sich Pigmente und Verunreinigungen in Hautbiopsien identifizieren.

  • 1 W. Bäumler, Presse Med. 2020, 4, 104046
  • 2 K. Hunger, M. U. Schmidt. Industrial Organic Pigments. 4. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2018
  • 3 P. Piccinini, L. Contor, I. Bianchi, C. Senaldi, S. Pakalin, Safety of tattoos and permanent make-up; Publications Office, Luxembourg 2015
  • 4 M. Giulbudagian, I. Schreiver, A. V. Singh, P. Laux, A. Luch, Arch. Toxicol. 2020, 2, 357–369
  • 5 J. Serup, Dermatology, Basel 2022, 1–4
  • 6 J. Serup, K. H. Carlsen; M. Sepehri, Curr. Probl. Dermatol., 2015, 48–60
  • 7 J. Serup, K. Hutton, K. H. Carlsen et al., Contact dermatitis 2020, 2, 73–82
  • 8 S. A. S. van der Bent, D. Rauwerdink, E. Oyen, K. I. Maijer, T. Rustemeyer, A. Wolkerstorfer, J. Cosmet. Dermatol. 2021, 11, 3630–3641
  • 9 C. Brungs, R. Schmid, C. Wolf et al., Anal. Chem., 2022, 8, 3581–3589
  • 10 S. A. S. van der Bent, T. Berg, U. Karst, M. Sperling, T. Rustemeyer, Contact dermatitis, 2019, 1, 64–66
  • 11 I. Schreiver, L.-M. Eschner, A. Luch, Analyst, 2018, 16, 3941–3950
  • 12 C. Wolf, A. Behrens, C. Brungs, E. D. Mende, M. Lenz, P. C. Piechutta, C. Roblick, U. Karst, Anal. Chim. Acta 2023, 340796

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