Gesellschaft Deutscher Chemiker

Pro & Contra Zukunft der energieintensiven Chemieproduktion in Deutschland

Perspektive Klimaneutralität

Nachrichten aus der Chemie, Februar 2025, Seite 8, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Für die Zukunft der energieintensiven Chemieproduktion in Deutschland bietet der Umbau zur Klimaneutralität eine gute Perspektive, meint Paul Münnich.

Stetige Innovation und Investitionen in effiziente Prozesse sind historisch Treiber für den Erfolg der Chemieindustrie in Deutschland. Derzeit befindet sich die energieintensive Chemieproduktion in einer Krise der fossilen Geschäftsmodelle, die auf Öl- und Gas-Importen aufbauen. Selbst ohne fortschreitenden Klimawandel würde der Verbleib im fossilen Status Quo daher keine Perspektive bieten. Für die Zukunft der Chemieproduktion in Deutschland ist effizienter Klimaschutz die zentrale Leitplanke. Denn sie gibt einem geringen CO2-Fußabdruck, dem Ergebnis von Innovation und Energieeffizienz, einen zusätzlichen Wert.

Die energieintensive Basischemie hat eine besondere Bedeutung, wenn es darum geht, unsere Lebensgrundlagen vor Erderwärmung und immer häufiger werdenden Extremwetterereignissen zu schützen: Erst klimaneutral hergestellte und fossilfreie Basischemikalien ermöglichen klimaneutrale Endprodukte. Hierfür braucht die Chemie elektrifizierte Anlagen, die mit Strom aus erneuerbaren Quellen laufen und Recyclingmaterialien und Biomasse als erneuerbare Kohlenstoffquellen nutzen.

Der Umstieg auf erneuerbaren Kohlenstoff hat dabei eine Reihe positiver Nebeneffekte: Biogen aufgenommenes CO2 kann langfristig und im großen Maßstab gebunden werden. Die kürzlich veröffentlichte Studie „Klimaneutrales Deutschland – Von der Zielsetzung zur Umsetzung“ von Agora zeigt: Die Chemie kann so zum Katalysator für Negativemissionen werden, also CO2-Senken schaffen, um den schädlichen CO2-Gehalt in der Atmosphäre zu reduzieren. Die stoffliche Nutzung nachhaltigen Biomasseanbaus kann zum klimafreundlichen Umbau der Landnutzung beitragen und CO2-Aufnahme und Biodiversität begünstigen. Gleichzeitig werden so neue Wirtschaftszweige und Jobs in der Verarbeitung von Biomasse und Kunststoffabfällen geschaffen.

Trotz multipler Krisen und knapper Kassen darf der Verbleib der Chemieproduktion in Deutschland und Europa nicht zur Debatte stehen. Die Transformation der Chemie gibt es nicht umsonst, aber gerade vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen verringert sie die Abhängigkeit von fossilen Importen und stärkt so die Resilienz des Wirtschaftsstandorts.

Importe klimaneutraler Zwischenprodukte, etwa grünen Methanols, können ein wichtiges Puzzleteil sein, um die Kosteneffizienz der Transformation in Deutschland zu steigern. Der Aufbau globaler Produktionsketten dauert noch viele Jahre – Zeit, die Deutschland nutzen kann, um sich wichtige Marktsegmente zu sichern und das innovative Chemie-Ökosystem Europas in eine klimaneutrale Zukunft zu führen. Auch langfristig bleibt die Kundennähe wichtig, schließlich verfolgen alle international tätigen Konzerne den Ansatz einer regionalen Produktion für regionale Absatzmärkte.

Damit die Chemie die notwendigen Investitionen in der Transformation tätigen kann, braucht sie mehr Planungssicherheit durch klare Rahmenbedingungen. Entscheidend sind dafür insbesondere:

Weiterentwickeln der Klimaschutzverträge, um höhere Kosten in der Umstellungsphase staatlich abzufedern;

Einführen einer steuerlichen Investitionsförderung, um innovative Investitionen anzureizen;

Einführen eines finanziellen Anreizes für den Wechsel von fossilen zu erneuerbaren Kohlenstoffquellen;

Nutzen des europäischen Binnenmarkts, um Märkten für klimaneutrale und in Europa produzierte Chemikalien zu schaffen.

Die deutsche Chemieindustrie hat es in der Hand, Vorreiter für eine erfolgreiche Transformation zu werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass sie global Innovationen bei klimaneutralen und fossilfreien Chemikalien vorantreibt, Standards setzt und neue Geschäftsmodelle etabliert.

Der Autor

Paul Münnich ist Projektmanager für Grundsatzfragen Klima- und Industriepolitik bei Agora Industrie und Agora Energiewende. Der studierte Maschinenbauer und Verfahrenstechniker arbeitet zu sektorübergreifenden Fragen der klimaneutralen Transformation der Industrie.https://media.graphassets.com/TGoKQikESkm4PnU8To22

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