Bildung + Gesellschaft

Prof.Dr.

Guargel ist die Grundlage der bei Kindern beliebten glibberigen Knetmasse „Slime“. Zudem erhöht es beim Fracking die Viskosität der Pumpflüssigkeit. Damit liefert das Biopolymer jede Menge Stoff für Experimente und Diskussionen im Chemieunterricht.
Aus den Samenkörnern der indischen Guar-Pflanze (Cyamopsis tetragonoloba) wird das Biopolymer Guar gewonnen. Dieses Galaktomannan ist getrocknet als Pulver in Lebensmittelgeschäften erhältlich und dient als Verdickungsmittel in Speisen. In Wasser gelöst bildet es je nach Konzentration ein mehr oder weniger viskoses Gel.<figure><img src="https://media.graphcms.com/OXCG0ifVQcSqfaF2W1y2"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Guar aus 1,6-verknüpfter α-D-Galactose und einer Hauptkette aus 1,4-verknüpfter β-D-Mannose.4)</figcaption></figure>
Didaktisch bietet sich Guar im Themenfeld Kohlenhydrate als Unterrichtsgegenstand an, der einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler hat. Wenn diese beispielsweise die Zutatenliste auf Lebensmittelverpackungen von Joghurt, Suppen oder Saucen studieren, finden sie Guarkernmehl als Verdickungsmittel. In einem einfachen Versuch lässt sich die Gelbildung beobachten, und im Unterricht kann die chemische Struktur behandelt werden.<h2>Slime ohne Borverbindungen</h2>Besonders motivierend für Schüler ist es, beim Thema Biopolymere das Spielzeug „Slime“ aufzugreifen. Dieses hoch viskoelastische Gel lässt sich aus Guarlösung herstellen. Nach der klassischen Versuchsanleitung wird zunächst eine viskose Guarlösung aus handelsüblichem Guarkernmehl angesetzt, in die dann Dinatriumtetraborat-Decahydrat (Borax) oder Borsäure eingerührt wird, um das Biopolymer zu vernetzen (Abbildung rechts).1) Bis vor einigen Jahren war die Herstellung von Slime in dieser Weise ein beliebtes Experiment im Chemieunterricht. Allerdings dürfen Schüler bei Schulexperimenten nicht mehr mit Borax und Borsäure arbeiten,2) denn diese Verbindungen sind reproduktionstoxisch. Ihre akute und chronische Toxizität ist nur schwach.<figure><img src="https://media.graphcms.com/sxmvDi7qQDiJW9WDbWm9"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Verknüpfung von zwei β-d-Mannosemolekülen (zum Beispiel aus Guarpolysacchariden) durch Borsäureesterbindungen.4)</figcaption></figure>
Das Gefahrenpotenzial durch Borverbindungen lässt sich durch Verdünnung unter 4,5 % (Borax, kristallwasserfrei) verringern. Borsäure und Borax können im Unterricht also weiterhin eingesetzt werden, wenn die Verdünnung groß genug ist und während der Versuche beibehalten wird.3) Dennoch ist zu prüfen, ob es Ersatzstoffe gibt.Im Fall von Slime lassen sich borhaltige Stoffe ersetzen: Eine Variante, die als „New Slime“ publiziert wurde, ist ein Guar-Aluminium(III)-Komplex.4) Hierzu wird Kaliumaluminiumalaun in ein Guarkernmehl-Wasser-Gemisch eingerührt und der pH-Wert mit Natronlauge auf 8 bis 9 eingestellt. Die Komplexierung der Aluminiumionen verändert die Farbe ins Gelbe und die Konsistenz ins Gummielastische (Fotos). Zugabe von Zitronensäure zerstört den Guar-Aluminium(III)-Komplex wieder.<figure><img src="https://media.graphcms.com/kIJbSleNR5WPEDSs3R7v"><figcaption><label>Abb. 3: </label>Guargel, w=1 %; oben links: ohne Quervernetzung; oben rechts: quervernetzt mit Borax; unten links: quervernetzt mit Alaun; unten rechts quervernetzt mit Titan(IV)-Komplex.</figcaption></figure>
Ebenfalls eine Alternative für Borverbindungen bei der Herstellung von Slime im Experimentalunterricht sind Titan(IV)-Komplexverbindungen. Diese eröffnen für den Chemieunterricht ein weiteres Themenfeld: Fracking.<figure><img src="https://media.graphcms.com/x7NdgcT22txt7Tw57o0A"><figcaption><label>Abb. 4: </label>Titan(IV)-bis(acetylacetonat)diisopropoxid</figcaption></figure>
<h2>Fracking mit Guargel</h2>Die Ölindustrie nutzt vernetzte Guargele zum Fracking (hydraulic fracturing). Diese ökonomisch und ökologisch umstrittene Methode wird seit Jahrzehnten eingesetzt, um die Ausbeute bei Kohlenwasserstofflagerstätten zu steigern. Insbesondere die relativ neue Anwendung in Schiefergesteinen verursacht Umweltprobleme.Beim Fracking wird Sand mit einer viskosen Flüssigkeit unter hohem Druck in ein Bohrloch gepumpt. Dadurch entstehen in den Gesteinsformationen um das Bohrloch herum Risse, in die der Sand eindringt. Über diese Rissaufweitung lässt sich Öl oder Gas aus dem Gestein fördern.Als Pumpflüssigkeit dient Wasser, dem Guargel und Vernetzungsmittel zugegeben werden, um die Viskosität zu erhöhen. Die hohe Viskosität der Pumpflüssigkeit verhindert, dass der Sand vorzeitig sedimentiert. Daher kann sich dieser als Stützmittel in die Risse setzen.Als Vernetzungsmittel dienen Borverbindungen, die zunehmend durch Titan- und Zirkoniumkomplexverbindungen ersetzt werden. Grund ist zum einen wie beim Slime die Reproduktionstoxizität der Borverbindungen. Für die Komplexverbindungen von Metallen der vierten Nebengruppe sind bisher keine toxischen oder umweltschädlichen Wirkungen bekannt. Zum anderen sind die mit Ti- oder Zr-Verbindungen vernetzten Gele viskoser und bei höheren Temperaturen (bis 160 °C) stabil als die klassischen Guargele, die mit Borverbindungen vernetzt sind und nur bis 110 °C stabil sind.Titan(IV)-bis(acetylacetonat)diisopropoxid ist ein Beispiel für ein Vernetzungsmittel. Die Vernetzerwirkung wurde anfangs auf einfache Ligandenaustauschreaktionen zurückgeführt, später auf Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den OH-Gruppen der hydrolysierten Alkoxygruppen und denen des Guars. Nach neueren Studien bilden sich bei der Hydrolyse der TiIV- und ZrIV-Alkoxy-Verbindungen im wässrigen Gel zunächst TiO2- und ZrO2-Nanopartikel, deren Oberflächen-Hydroxylgruppen anschließend mit den OH-Gruppen des Guars kondensieren. Die Entstehung einer chemischen Bindung würde die beachtliche Temperaturstabilität dieser Gele erklären.6)<h2>Titan-Slime als didaktische Vernetzung</h2>Auch für den Schulversuch eignet sich Titan(IV)-bis(acetylacetonat)diisopropoxid (Abbildung oben links) als Ersatz für Borax oder Borsäure bei der Herstellung von Slime. Damit ist dieser bei Schülern äußerst beliebte und motivierende Versuch weiterhin durchführbar. Und es gelingt, das Experiment mit dem gesellschaftlich bedeutsamen Thema „Fracking“ zu verknüpfen.Die Schüler können anhand ausgewählter Publikationen zu dem Thema recherchieren, um im Chemieunterricht die Möglichkeiten, Grenzen, Vorteile und Probleme diese Methode zu diskutieren. Als Arbeitstext für Schülerrecherche eignet sich unter anderen der Beitrag „Chemikalien für Fracking“ von Johann Plank und Timon Echt, der für die Entwicklung des Schulversuchs „Titan-Slime“ den Anstoß gab.5–7)Um Slime mit Titan(IV)-Komplexverbindungen herzustellen, rühren die Schüler 1 g Guarkernmehl in 100 mL Wasser, bis eine gleichmäßig viskose Lösung entstanden ist. Diese Lösung wird wiederum unter intensivem Rühren mit 0,5 mL Titan(IV)-bis(acetylacetonat)diisopropoxid-Lösung (aus dem Chemikalienhandel, w = 75 % in 2-Propanol) versetzt. Es entsteht ein gelbliches Gel von schleimiger bis gummiartiger Konsistenz (Foto S. 21). Je höher die Guarlösung konzentriert ist, desto viskoser wird der Slime.<h2>Statt eines Fazits: spielerischer Einstieg und Lebenswelt</h2>Eine der vornehmsten Aufgaben der Chemiedidaktik ist es, aktuelle und zukunftsorientierte Themen aus Forschung, Technologie und Industrie für den Schulunterricht zugänglich zu machen. Die Schüler sollen in erster Linie ein fachliches Verständnis für das Thema entwickeln, aber auch im Sinne der bürgerlichen Mündigkeit dessen ökologische, ökonomische, soziale und politische Relevanz erfassen. Dabei ist wichtig, dass die Schüler im Thema einen Bezug zur ihrer Lebenswelt erkennen.Es liegt in der Kunst der Chemiedidaktik, diese Lebensweltbezüge herauszuarbeiten und entsprechende Unterrichtsmaterialien zu entwickeln, insbesondere für Experimente. Besonders motivierend sind Unterrichtsthemen und Lerngegenstände, die zunächst direkt mit dem Alltag der Schüler zu tun haben und dabei einen kreativen oder spielerischen Einstieg in den Lehr-Lern-Prozess bieten. Offenbaren diese Themen und Gegenstände dann in der fachlichen Erarbeitung und Diskussion weitere Lebensweltbedeutungen aus den genannten Perspektiven, sind sie ein didaktischer Glücksfall. Guargel ist dafür ein Beispiel.<figure><img src="https://media.graphcms.com/ipoCnA4iSwWAwDAtC7aR"><figcaption><label>Abb. 5: </label>Foto: Sviatoslav Kovtun – <a href="https://adobe.stock.com" target="_blank">adobe.stock.com</a></figcaption></figure>
<h2>Auf einen Blick</h2>Guarpulver gibt es als Verdickungsmittel im Lebensmittelhandel.Mit einem Quervernetzer bildet in Wasser gelöstes Guar eine glibberige bis gummiartige Masse.Eine Alternative zur reproduktionstoxischen Vernetzungschemikalie Borax ist eine Titan(IV)-Komplexverbindung, die auch großtechnisch eingesetzt wird.Wissenschaftler der experimentell-konzeptionell ausgerichteten chemiedidaktischen Forschung berichten hier in loser Folge über zukunftsweisende Themen für den Chemieunterricht.<h2>Der Autor</h2>Arnim Lühken ist seit dem Jahr 2008 Professor in Frankfurt und seit 2011 geschäftsführender Direktor des Instituts für Didaktik der Chemie der Universität. Zudem leitet er das Chemielehrerfortbildungszentrum und das Goethe-Schülerlabor für Chemie. Lühken studierte Chemie und Biologie für das Lehramt am Gymnasium.<div><img src="https://media.graphcms.com/iQKoO2NSeonbqdYPUYBw">

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<ul><li>
1 H. J. Bader, Z. Harji, Praxis der Naturwissenschaften 2000, 49, 38</li><li>
2 H. J. Bezler, V. Hildebrandt, D-GISS – Deutsches Gefahrstoff-Informations-System Schule, Universum Verlag, Wiesbaden, 2018</li><li>
3 A. Lühken, L.-M. von der Lahr, CHEMKON 2012, 19, 1</li><li>
4 A. Brink, S. Hubricht, CHEMKON 2014, 21, 23</li><li>
5 J. Plank, T. Echt, Nachr. Chem. 2014, 62, 607</li><li>
6 T. Hurnaus, J. Plank, Energy &amp; Fuels 2015, 29, 3601</li><li>
7 C. Habrich-Böcker, B. C. Kirchner, P. Weißenberg, Fracking – Die neue Produktionsgeografie, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2014</li></ul>

Artikel

Spielzeug und Fracking‐Chemikalie

Guargel ist die Grundlage der bei Kindern beliebten glibberigen Knetmasse „Slime“. Zudem erhöht es beim Fracking die Viskosität der Pumpflüssigkeit. Damit liefert das Biopolymer jede Menge Stoff für Experimente und Diskussionen im Chemieunterricht. Aus den Samenkörnern der indischen Guar-Pflanze...

Youtube ist nach Whatsapp die beliebteste digitale Plattform bei Kindern und Jugendlichen. Sie bietet nicht nur Tierfilmchen und Schminktipps, sondern auch Lehrvideos, die sogar Studenten nutzen.
Fast die Hälfte der Schüler wiederholt Unterrichtsstoff mit Youtubevideos, wie eine Studie des Rats für Kulturelle Bildung zeigt. Trotz Befürchtungen, dass die Nutzer Fehler in den Videos vielleicht nicht erkennen können, empfiehlt beispielsweise die Homepage des Bundesbildungsministeriums: „Wenn alles richtig ist, kann man es nutzen.“ Dies gilt auch für Studenten, denn sie finden dort Clips auf Hochschulniveau.<h2>Wissen kostenlos auffrischen</h2>Studenten versuchen über Youtubevideos etwa, Lücken im Schulwissen zu schließen, beispielsweise in Mathe und Physik. Die Filme dienen als klassische Nachhilfe.Lehrvideos gibt es in verschiedenen Formaten: Der Youtuber filmt sich oder lässt sich filmen, während er Formeln, Fachbegriffe oder Stichwörter an ein Whiteboard schreibt und den Stoff erklärt. Oder das Video zeigt Schaubilder oder Notizen, und eine Stimme aus dem Hintergrund erläutert die Bilder.Mathevideos für die ersten Semester von Ingenieursstudiengängen präsentiert Jörn Loviscach, Professor an der Fachhochschule Bielefeld.Stephan Müller, Dozent für Ingenieur- und Naturwissenschaften an der Fachhochschule Nordwestschweiz, erklärt auf trinatphys Mechanik, Thermodynamik, Magnetismus und auch NMR.Auf Altesotube erläutert ein Chemiedoktorand die allgemeine Chemie auf dem Niveau des Abiturs und den ersten Semestern des Chemiestudiums.Mit solchen Filmen soll der Nutzer lernen. Sie versuchen gar nicht erst, mit Wissenschaft zu unterhalten, wie Quarks oder Terra X Lesch &amp; Co. Trotzdem hat der Lehrkanal des Mathematikers Daniel Jung über 538 000 Abonnenten, während es bei Terra X Lesch &amp; Co etwas unter 505 000 sind. Zum Vergleich: Zirka 961 000 Nutzer haben den Kanal des Youtubers Rezo abonniert, der vor der Europawahl das Video „Die Zerstörung der CDU“ produziert hat.Daniel Jungs Video über Parabeln wurde über 1,2 Millionen Mal angeklickt. Seine Mathevideos sind rezeptartig aufgebaut: Sie erklären schrittweise, wie der Nutzer rechnet. Dabei bestehe die Gefahr, dass die Nutzer den Stoff nur auswendig lernten, statt ihn zu verstehen, kritisiert Matthias Ludwig in der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Er ist Professor für Didaktik der Mathematik an der Universität Frankfurt. Diese Herangehensweise mögen die Studenten jedoch gerade in Nebenfächern. Ein Chemiestudent der Universität Aachen berichtet, er habe damit für die Module Differenzial- und Integralrechnung gelernt, da die Videos verständlicher als die Vorlesungen seien.<h2>Vorlesungen auf Youtube</h2>Einige Professoren filmen ihre Vorlesung oder halten sie extra für die Kamera. Gerald Dyker etwa veröffentlicht seine Anfängervorlesung Organische Chemie an der Universität Bochum auf dem Youtubekanal ChemieRUB und dies bereits seit 2011 [Nachr. Chem. 2012, 60, 846]. Ebenso lang filmt Christian Spannagel seine Mathematik- und Informatikvorlesungen an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.Mit Vorlesungsvideos können die Studenten in ihrem individuellen Tempo lernen. In einer Umfrage auf Mathe by Daniel Jung allerdings gaben die meisten Nutzer an, dass sie die Inhalte nur zur Prüfungsvorbereitung verwenden. Wenn die Studenten die Videos kurz vor der Prüfung zum ersten Mal schauen, geraten sie unter Zeitdruck.Gerald Dyker begann, die Vorlesung zu filmen, als der Hörsaal zu klein wurde. An der Zahl der Anwesenden im Hörsaal änderte sich nichts. In die Mathematikvorlesungen von Matthias Ludwig jedoch seien fast keine Studenten mehr gekommen, nachdem er die Videos hochgeladen hatte. Er nutzt Youtube daher nicht mehr dafür.<h2>Der umgekehrte Hörsaal</h2>Youtube-Videos können das Konzept einer Vorlesung verändern, etwa wenn Professoren das Prinzip des umgekehrten Klassenzimmers (inverted classroom) anwenden. Das haben Lehrer entwickelt, indem sie die Reihenfolge und Funktion von Hausaufgaben und Unterricht vertauscht haben: Zu Hause lernen die Schüler zunächst den neuen Stoff durch Videos. In den folgenden Unterrichtsstunden können sie Fragen stellen, das Thema üben und vertiefen. Nach diesem Prinzip läuft an der Fachhochschule Aachen die Vorlesung für physikalische Chemie bei Jakob Lauth:Jede Woche veröffentlicht er ein neues Video für seine Studenten, die sich damit auf die Präsenzveranstaltung vorbereiten sollen. In dieser prüft Lauth dann, ob die Studenten die Kernaussagen verstanden haben und lässt sie den Stoff üben. Daher bezeichnet er die Veranstaltung nicht als Vorlesung, sondern als Workshop. Neben dem speziellen Kanal für die Aachener Studenten Labor Dr. Lauth by Scifox präsentiert er in seinem Hauptkanal Physikalische Chemie by Scifox Themen wie Thermodynamik, Kinetik oder Oberflächenanalytik.Martin Bonnet, Professor an der Technischen Hochschule Köln, verwendet für sein Modul Werkstofftechnik ebenfalls Youtube. Seine Studenten müssen in seiner Lehrveranstaltung benotete Testate darüber ablegen. Sein Kanal Welt der Werkstoffe behandelt zum Beispiel Gittertypen oder Phasendiagramme.Manche Studenten geben zu, dass das Konzept sie abschreckt. Sie fürchten sich davor, Fragen beantworten oder Übungen vorführen zu müssen. Jakob Lauth beobachtet, dass weniger Studenten seine Veranstaltung besuchen, diese seien „aber motivierter und offener für Interaktionen.“ Die Ergebnisse seiner Prüfungen hätten sich durch die Videos nicht verändert.Die Videos von den Inverted-classroom-Modulen nutzen auch Studenten, deren Professoren selbst keine Videos zur Vorlesung anbieten. So hat Scifox mehr Nutzer, als Teilnehmer zu den Vorlesungen angemeldet sind.<h2>Skepsis vor dem Medium</h2>Dozenten berichten zwar, dass sie es sinnvoll fänden, Vorlesungen aufzuzeichnen. Dennoch entscheiden sich viele dagegen. Sie fürchten etwa, dass Fehler in den Clips dazu führen, dass Studenten Klausurergebnisse anfechten. Bei Vorlesungen, die nicht gefilmt werden, lassen sich Fehler schwerer nachweisen.Christian Spannagel hat keine Angst vor Fehlern: „Die werden relativ schnell bemerkt und dann zum Beispiel kommentiert.“ Korrekturen blendet er in den Videos ein oder bespricht sie mit seinen Studenten. Auf seinem Kanal hat er die Kommentarfunktion allerdings deaktiviert, da er zu viele unsinnige Kommentare bekommen hätte. Andere Dozenten wie die Betreiber von Scifox und Alteso schätzen die Rückmeldungen unter den Videos.Häufig sind Nutzer dankbar, da ihnen Stoff erklärt wird, den sie nicht verstanden haben. Nutzerin Sofie hat auf Alteso kommentiert: „Weder Vorlesungsfolien noch Bücher konnten mir die Fischerprojektion nachvollziehbar erklären …, verstanden habe ich es erst dank deinem Video.“ Chemiestudenten der Universität Wien sendeten sogar einen Brief mit den Worten „ohne Ihre Videos hätten wir die Klausur nie bestanden“ und eine Flasche Wein an Jakob Lauth.<h2>Youtube-Kanäle für Studenten</h2>Mathematik für Nebenfachstudierende erklären Daniel Jung (<a href="https://www.youtube.com/mathebydanieljung" target="_blank">www.youtube.com/mathebydanieljung</a>), Jörn Lovisach (/JoernLoviscach) oder Christian Spannagel (Mathe für die Masse: /pharithmetik).Physik für Nichtphysiker gibt es von Stephan Müller (/trinatphys), physikalische Chemie von Jakob Lauth (/electureBites) oder auch von Hubert Motschmann auf dem Kanal des Chemiedepartments der Uni Regensburg, auf dem noch mehr Vorlesungen hochgeladen sind.Martin Bonnets Kanal /weltderwerkstoffe liefert Hilfreiches für PC und Festkörperchemie.Mit Tafelbild und kleinen Modellen auf /altesotube können sich Abiturienten und Erstsemester die Grundlagen der Chemie beibringen lassen.Eine klassische Vorlesung für organische Chemie hält Gerald Dyker: /ChemieRUB.Barbara Bong ist freie Mitarbeiterin der Nachrichten aus der Chemie.

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