Gesellschaft Deutscher Chemiker

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Trendbericht Makromolekulare Chemie 2024

Nachrichten aus der Chemie, Oktober 2024, S. 52-59, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

Responsive Polymere ändern ihre Materialeigenschaften und reagieren über programmierte molekulare Prozesse auf Umwelteinflüsse. Solche Materialdesigns standen dieses Jahr im Fokus vieler Anwendungen: Sie verbessern die Rezyklierbarkeit, führen zu selbstreguliertem Abbau und Selbstheilung, transportieren Wirkstoffe und setzen sie frei oder ahmen biologische Systeme mit komplexen Signalverarbeitungsabläufen und adaptiven Strukturen nach. Für eine nachhaltige Kunststoffwirtschaft bleiben zudem leitfähige Polymere und biobasierte Monomere wichtig.

Funktionalisieren und Regulieren

Responsivität, Adaptivität, Selbstregulation und Interaktivität waren in den vergangenen Monaten Schlagwörter bei innovativen Materialdesigns. Im Vordergrund stand dabei die Nutzung von Licht und mechanischer Kraft als einfach zu handhabende Stimuli, die eine hohe räumliche und zeitliche Auflösung ermöglichen. So erlaubte ein Azobenzol-Motiv, das als Photoschalter fungierte, Eisenreich und Team den reversiblen Flüssig-zu-fest-Übergang von Poly(dimethylsiloxan), und zwar über schaltbar gemachte inter- oder intramolekulare Wasserstoffbrückenbindungen. Thiele und Mitarbeitende zeigten den Phasenübergang von isotropem Poly(aspartat) zu lyotropen Flüssigkristallen mit Azobenzol-funktionalisierten Seitenketten.1,2)

Wu, Kühne und Mitarbeitende nutzten Azomotive, um zunächst photoresponsive Polymere herzustellen. Werden diese thermisch nachbehandelt, verlieren sie ihre Reversibilität und eignen sich somit als hitze- und lichtstabile fälschungssichere Materialien.3) Diarylethene eingebaut als lichtschaltbare Vernetzungseinheiten in Mikrogelen ändern die Volumen-Phasenübergangstemperatur kontrolliert. Diese entscheidet zwischen kollabierter oder gequollener Struktur und damit auch, wie stabil die Kolloide gegenüber mechanischer Krafteinwirkung sind. Dieser Effekt ließ Göstl und Mitarbeitende in Lösung eine ferngesteuerte mechanische Tarnkappe gegen Scherkräfte einführen.4)

Walther und Mitarbeitende nutzten die Mechanoresponsivität von Azobindungen, die als Sollbruchstellen in Polymerketten fungieren. Durch Krafteinwirkung gebildete Radikale aus einzelnen Azobindungsbrüchen verstärken das Signal chemisch als Entnetzungsreaktionen, die die Hydrogelstruktur auflösen. Eingesetzt in einen Doppelschichtaktuator ändert sich selbstreguliert die Form einer durch Quellung herbeigeführten Krümmung (Abbildung 1).5)

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Mechanisch aktivierte Selbstauflösung eines Hydrogels. Durch Krafteinwirkung (F) erzeugte Radikale setzen eine sich selbst verstärkende chemische Reaktion in Gang, die zum Abbau des Netzwerks führt. Fotos: Eine Schicht dieses Gels kombiniert mit einer Schicht eines quellfähigen Polymers führt zum selbstregulierten Krümmen und Entkrümmen (Mitte), basierend auf der durch das einseitige Quellen hervorgerufenen Biegung; dieses wird durch Netzwerkabbau auf der anderen Seite kompensiert und endet im Auflösen der mechanoresponsiven Schicht (rechts).5)

Weder, Sagara und Mitarbeitende kontrollierten die räumliche Distanz zwischen Donor-, Akzeptorfluorophor und Fluoreszenzlöscher in einem Hydrogel, indem sie den Löscher in der Mitte der linearen Komponente eines Rotaxans anbrachten und den Donor als Teil des Makrocyclus mit dem Akzeptor verbanden. Durch Polymerketten übertragene Zugkräfte transportieren den Makrocyclus an die Endgruppen des Rotaxans, und der resultierende Abstand zum Löscher ermöglicht dem System, zu fluoreszieren.6)

Göstl, Herrmann und Team fokussierten sich in der Polymermechanochemie auf die meist niedrigen Umsätze bei der sonochemischen Aktivierung von Polymeren. Sie nutzen das zu aktivierende Polymer, um Mikroblasen zu ummanteln. So lassen sich die Kavitationseffekte von Ultraschall verstärken, was die Aktivierung effizienter macht.7)

Bolm, Pich und Mitarbeitende stellten mechanochemisch thermisch aktivierbare Mikrogele in der Kugelmühle her. Dies ermöglichte eine initiator- und lösungsmittelfreie Synthese.8)

Biohybride und biomimetische Materialien

Biologische Komponenten in synthetischen Polymeren oder polymerbasierten Systemen ermöglichen dynamische Materialeigenschaften, beispielsweise die (adaptive) Rekonfiguration von Polymernetzwerken, sowie biomimetische Funktionen, darunter dissipative Selbstassemblierung oder die Fähigkeit zur Zelladhäsion. Solche Materialien präzise herzustellen wird jedoch oft dadurch erschwert, dass die biologischen Bausteine meist kaum kompatibel mit kontrollierten Polymerisationsmethoden sind. Frisch und Mitarbeitende kombinierten synthetische Monomere mit natürlichen Bausteinen innerhalb des Polymerrückgrats, und zwar bei der Copolymerisation von Peptiden und Acrylamid über reversible Additions-Fragmentierungskettenübertragungs-Polymerisation (reversible addition–fragmentation chain transfer, Raft). Dazu stellten sie das Peptidmonomer mit einer Festphasenpeptidsynthese her und erhielten einen Makrocyclus, der die geschützte Peptidsequenz und eine polymerisierbare Allylsulfideinheit enthielt.9) Delbianco und Mitarbeitende erforschten die maßgeschneiderte Synthese von Glykanen und präsentierten eine in der Natur nicht vorkommende Haarnadel-Sekundärstruktur. Diese liefert neue Möglichkeiten, Poly(saccharid)-Foldamere zu entwerfen.10)

Autonome Systeme, die fern des thermodynamischen Gleichgewichts agieren, beziehen ihre Inspiration aus der Natur oder entstehen aus künstlichen Materialien kombiniert mit biologischen Komponenten und tragen so zum Verständnis biochemischer Abläufe bei. Zhang, Théato, Chen und Mitarbeitende nahmen sich Geckos zum Vorbild und entwickelten eine Strategie zum Wiederherstellen beschädigter Hydrogele; diese basieren auf einer redoxinitiierten Diffusionspolymerisation an der Fest-flüssig-Phasengrenze.11) Walther und Mitarbeitende entwarfen ein autonom agierendes System zum Aufbau kolloidaler co-assemblierter Strukturen. Hierfür konzipierten sie ein DNA-basiertes Reaktionsnetzwerk mit DNA-dekorierten Mikrogelen, deren Entstehungs- und Lebenszeit sich durch Rückkopplungsschleifen regulieren lässt.12)

Um die Komplexität lebender Systeme, insbesondere von Zellen, zu erforschen und nachzuvollziehen, gibt es synthetische Modelle. Diese müssen in möglichst vielen physikalischen und chemischen Eigenschaften sowie der Funktion mit ihren biologischen Vorbildern übereinstimmen. Belluati, Bruns und Mitarbeitende nutzten Myoglobin als Katalysator für die radikalische Bio-Atomtransferpolymerisation (atom transfer radical polymerization, ATRP) und anschließende Selbstassemblierung von Block-Copolymeren (Abbildung 2). Diese schlossen dabei Enzyme und weitere zellkonstituierende Elemente ein, um enzymatische Reaktionen, Biomineralisationsprozesse, die Polymerisation von Aktin und Proteinexpression innerhalb des Assemblats zu ermöglichen.13)

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Myoglobin-vermittelte Bio-Atomtransfer-Radikalpolymerisation (atom transfer radical polymerization, ATRP) liefert amphiphile Block-Copolymere, die sich zu Strukturen zusammenfinden (Selbstassemblieren) und dabei funktionelle Einheiten einkapseln.13)

Anwendungen in der regenerativen Medizin erfordern, Wechselwirkungen zwischen Zellen und synthetischen Materialien zu kennen sowie zu wissen, wie Änderungen der Materialeigenschaften das zelluläre Verhalten beeinflussen. Krieg und Mitarbeitende entwarfen ein synthetisches dynamisches DNA-vernetztes Hydrogel als präzise anpassbare Matrix für 3-D-Zell- und Organoidkulturen, die zuließ, mechanische Eigenschaften und Vernetzungskinetik über die Struktur der dynamischen Vernetzungseinheiten zu modulieren. Computersimulationen erlaubten dabei, die nötige DNA-Sequenz vorherzusagen, um die Materialparameter zu ändern.14)

De Laporte, Pich und Team verzichteten auf synthetische Vernetzer und überließen es den Zellen selbst, ein Netzwerk aus Dextranmikrogelen zu formen. Dadurch verteilten sich die Zellen homogen, und es entstanden naturgemäß dynamische Materialeigenschaften.15) Richtering und Fischer interessierte, wie die Porengröße das Verhalten eingebetteter Zellen beeinflusst. Dafür nutzten sie Mikrogele mit einstellbarer Porenstruktur.16)

Belluati, Bruns und Mitarbeitende verkapselten einzelne Zellen mit einer biokompatiblen Polymermembran. Dies erlaubt, bestimmte Eigenschaften ohne gentechnische Eingriffe zu ändern. Dazu co-extrudierten sie Selbstassemblate, die aus funktionalen Pluronic- und Poly(ethylenglykol)-basierten Block-Copolymeren und E.-coli-Bakterien bestanden.17)

Biomedizinische Materialien

Strukturelle Wirksamkeit, Wirkstofffreisetzung und Materialien für die Medizintechnik bleiben Kernthemen für die Forschung an Polymermaterialien in der Medizin. So untersuchten Leiske, Hoogenboom und Mitarbeitende, wie die Rückgratzusammensetzung die Krebszellenspezifität zwitterionischer zelladhäsiver Polymere beeinflusst. Sie zeigten damit, wie wichtig die richtigen Monomere für polymerbasierte Nanotherapeutika sind.18) Eine hohe Zellspezifität für entzündetes Gewebe im Darm erreichten Stallmach, Brendel und Team durch eine wurmartige Morphologie von Blockcopolymermizellen, die für sphärische Strukturen gleicher Zusammensetzung nicht zu beobachten ist.19)

Alternativen zu Poly(ethylenglykol) (PEG) waren von Interesse. Es fungiert oft als Basismaterial biomedizinischer Polymere, da es biokompatibel und hydrophil ist. Dreier, Frey und Mitarbeitende entwickelten ein an PEG angelehntes Zweikomponentenmaterial, das ähnlich zellkompatibel und immunologisch wirksam, darüber hinaus aber thermisch responsiv ist. Die Aktuierungstemperatur ließ sich dabei über die anteilige Zusammensetzung des Polymers abstimmen, was für Anwendungen in der Wirkstofffreisetzung vorteilhaft sein kann.20)

Eine weitere PEG-Alternative ist Poly(N,N-dimethylacrylamid) (PDMAA). Nuhn und Mitarbeitende nutzten eine Ein-Topf-Synthese, um reversibel Wirkstoffe an PDMAA zu konjugieren und diese in Zellen zu transportieren. Dort wurde die Auflösung der Konjugation redoxaktiviert.21) Schmidt und Team haben über Ultraschall und supramolekulare Käfige mit PEGylierten Liganden Gastmoleküle mechanisch stimuliert und freigesetzt. Göstl und Mitarbeitende erreichten dies über die ruckartige Rotationsrelaxation von Eisenoxidnanopartikeln als Antwort auf angelegte alternierende magnetische Felder; die Partikel warfen ihre Polymerhülle ab und setzten ihre Ladung frei.22)

Auch für den Pflanzenschutz, besonders in Hinblick auf umweltfreundliche Alternativen, wurden kontrollierte Freisetzungssysteme entwickelt; darunter waren mit Ankerpeptiden beladene Mikrogele, die an Orangenbaumblätter binden und dort Wirkstoffe freisetzen.23)

Nicht nur kleine Moleküle, sondern auch der Transport von Biopharmazeutika wurde untersucht. Adams, Merkel und Team synthetisierten amphiphiles Poly(sperminacrylamid). Wie sie zeigten, eignen sich daraus bestehende Polyplexe, um eine Kategorie doppelsträngiger RNA-Moleküle (small interfering RNA, siRNA) zu verkapseln; zudem wirkt dies in RNA-Interferenztherapien in vitro und in vivo spezifisch auf den Transport zu Zielen in der Lunge.24) Nuhn und Mitarbeitende lieferten ein Konzept für Peptid-Nanogelimpfungen, die Antigenen erlauben, auf der Oberfläche zu binden und in vitro von antigenpräsentierenden Zellen verarbeitet werden.25) Moreno, Appelhans und Mitarbeitende adressierten pH-abhängige Aktivität und Stabilität unter physiologischen Bedingungen für Enzymersatztherapien durch enzymbeladene pH-responsive Polymersome.26) Bioabbaubare polyphosphoesterbasierte Mizellen von Flögel, Wurm und Mitarbeitenden fungieren sowohl als Wirkstofftransporter wie auch als Bildgebungsmittel für 31P-MRT (Abbildung 3).27)

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Oben: Synthese von Polyphosphoestern; Mitte: aus den Estern geformte Mizelle mit zugehörigen 31P-NMR- und MRT-Spektren; unten: Demonstration der bildgebenden Eigenschaften der Polyphosphoestermizellen im 1H- und 31P-MRT nach Injektion in eine Physalis.27)

In der Materialforschung für die Medizintechnik wurde vor allem die unspezifische Proteinadsorption angegangen. So entwickelten Hartlieb, Schlaad und Mitarbeitende eine polykationische Antifoulingbeschichtung, während Weigel und Mitarbeitende ein Fleece speziell für die Schnittstelle von Implantat und Gewebe entwarfen, um die Biointegration zu verbessern.28,29)

3-D-Druck

Die Forschung zum 3-D-Druck fokussierte sich auf Tintenformulierungen für präzisen hochauflösenden Druck und auf chemische Zusammensetzungen, die den resultierenden Konstrukten responsive Eigenschaften verleihen. Blasco und Mitarbeitende nutzten etwa neuartige Tinten aus Blockcopoly- oder Oligomeren, um definierte Nanostrukturen zu drucken. Jüngst, Levato und Team verbanden die Melt-electrowriting-Technik mit volumetrischem 3-D-Biodruck, wodurch sie geometrisch komplexe definierte Hydrogelstrukturen erhielten.30–32) Beim volumetrischen 3-D-Druck überführten Hecht, Linkhorst und Mitarbeitende zudem die Xolographie-Technik erstmals in einen kontinuierlichen Prozess. Xolographie basiert auf der Photopolymerisation mit zwei gekreuzten Lichtstrahlen unterschiedlicher Wellenlänge und einem schaltbaren Zwei-Wellenlängen-Photoinitiator.33)

Ehrmann, Houk, Barner-Kowollik und Mitarbeitende berichteten von einem photostabilisierten dynamischen Material, dessen Abbaurate sich anpassen oder dessen Abbau sich ganz verhindern lässt, und zwar im Dunkeln durch Laserstrahlung während des Drucks.34) Über die Phasenseparierung verschiedener PEG-Gele verliehen Levkin und Mitarbeitende ihren 3-D-gedruckten Modellen vorteilhafte mechanische und responsiven Eigenschaften; die Modelle haben etwa ein Formgedächtnis und reagieren auf Temperaturänderungen (Abbildung 4).35)

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3-D-Druck phasenseparierter PEG-Gele resultiert in thermoresponsiven Konstrukten mit Formgedächtnis, die durch Erhitzen ihr mehr als hundertfaches Gewicht halten.35)

Das Drucken hybrider Materialien, speziell von Poly(dimethylsiloxan) und Bariumtitanat, ermöglichte es Arief und Mitarbeitenden, einen flexiblen piezoelektrischen Sensor herzustellen. Diesen integrierten sie in Reifen, wo er deren Abriebverhalten detektierte.36)

Für elektrochemische Bauteile

Leitfähige, konjugierte 2-D-Polymere, organische Kathodenmaterialien und leuchtende Bauteile dominierten dieses Jahr den Elektrochemieteil der Polymerforschung, der Alternativen zu herkömmlichen metallischen Elektrobauteilen bietet, die meist der Umwelt schaden. Yao, Wang, Müllen, Narita und Mitarbeitende synthetisierten Graphennanobänder mit einer Breite von acht Kohlenstoffatomen nasschemisch über entsprechende Polymerpräkursoren. Des Weiteren wurden ein Phthalocyanin-basiertes 2-D-konjugiertes Polymer mit hoher Ladungsdichte sowie Poly(arylenvinylen) mit thiophenbasiertem Rückgrat und bandähnlichem Ladungsträgertransport hergestellt (Abbildung 5).37–39)

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Herstellung Thiophen-basierter 2-D-konjugierter Polymere. Das resultierende Material zeigt anders als die 1-D-konjugierten bandähnlichen Ladungsträgertransport. PAV: Poly(arylen vinylen), BDT: Benzodithiophen, BT: Bithiophen, BP: Biphenyl.39)

Thelakkat und Team präsentierten ein Polymermaterial, das untypisch als n-Halbleiter fungiert und sich für thermoelektrische Anwendungen eignet.40) Ein weiterer Trend ist, Aluminiumakkumulatoren zu nutzen, da Al besser verfügbar ist als Li. Um die moderate Kapazität der derzeitig verwendeten Graphitelektroden zu verbessern, entwarfen sowohl Krossing, Esser und Mitarbeitende als auch Yu, Feng und Team neue Materialien mit höheren Kapazitäten auch bei mehreren Ladungszyklen.41,42)

Schließlich gab es Neuerungen bei lichtemittierenden elektrischen Systemen. So stellten Karst und Mitarbeitende eine PEDOT:PSS-basierte „Nanoantenne“ her; diese erlaubt das reversible elektrische Schalten zwischen einem dielektrischen und einem metallischen Zustand und somit das An- und Abschalten von Plasmonenresonanz.43) Wetzelaer und Mitarbeitende stellten eine effiziente blaue Oled her, die aus einer Lage bestand; dies vereinfacht den Aufbau verglichen mit herkömmlichen Oleds.44)

Nachhaltiges Kunststoffdesign

Nachwachsende Rohstoffe und Strukturelemente, die das Recycling von Kunststoffmaterialien verbessern oder erst ermöglichen, sind die Kernthemen, die zu einer Kreislaufwirtschaft führen. Biopolymere wie Cellulose zu nutzen ist oft schwierig, da sich einzelne Chargen unterscheiden; daher sind präzise Analysetechniken vonnöten, um die Materialparameter exakt zu charakterisieren und die Weiterverarbeitung abzustimmen. Meier und Mitarbeitende stellten hierfür eine Analysemöglichkeit für den Substitutionsgrad in Celluloseestern vor, die sich für unlösliche Proben eignet; sie beruht auf Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie mit abgeschwächter Totalreflexion (ATR-FTIR).45)

Fluodas, Mecking, Frey und Mitarbeitende arbeiteten zur Präzisionspolymerisation biobasierter Monomere und synthetisierten definierte Triblockcopolymere aus Myrcen und Nopadien. Beide Monomere lassen sich aus Pinen, vorkommend in ätherischen Pflanzenölen, herstellen; das cyclische Nopadien wurde als Styrolersatz untersucht.46) Biobasierte thermoplastische Elastomere mit einer präzisen H-förmigen ABA-Copolymerstruktur erhielten Frey und Mitarbeitende aus Farnesen und Dilactid, was sich aus Zuckerrohr und Mais gewinnen lässt.47)

Dass die Nachhaltigkeit bei Kunststoffen für großflächige Anwendungen allgemein immer von Anfang bis Ende zu betrachten ist, zeigt eine Studie zum kommerziell genutzten biobasierten und als bioabbaubar angesehenen Poly(l-lactid) (PLLA). Es wurde untersucht, wie eine chronische Einnahme von PLLA-Mikroplastik auf junge Barsche wirkt; deren Verhalten wich signifikant von anderen ab. Daraus lässt sich schließen, dass nicht nur erdöl-, sondern auch biobasierte Materialien potenziell gefährlich für die Umwelt sind.48)

Beim Kunststoffrecycling gelten Duroplaste als eine der größten Herausforderungen aufgrund ihrer permanent vernetzten Struktur. Trotz ihres mengenmäßig geringen Anteils an der Gesamtmenge produzierten Kunststoffs motiviert ihre meist teure und energieintensive Herstellung die Suche nach Recyclingstrategien. Dafür tat sich der Einsatz thermisch aktivierbarer dynamischer Austauschreaktionen zwischen den Vernetzereinheiten hervor; dies ermöglicht, diese Vitrimere genannten Materialien thermisch zu remodellieren. Abetz und Mitarbeitende nutzten aus Lignin gewonnenes Vanillin-Dialdehyd als Monomer und vernetzten es mit biobasierten Di- und Triaminen; so erhielten sie ein Vitrimer basierend auf Schiff-Base-Austausch mit Aktivierungs- und somit Kunststoffverarbeitungstemperaturen zwischen 90 und 150 °C.49) Shi, Berrocal, Weder und Mitarbeitende synthetisierten vinyloge Urethanvitrimere, die aus Bis(acetoacetat)-terminiertem Poly(ethylenglykol) und Aminvernetzern bestehen. Diese lassen sich durch thermisch aktivierte Hydrolyse depolymerisieren (Abbildung 6).50)

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Vinyloge Urethanvitrimere depolymerisieren durch thermisch in Gang gesetzte Hydrolyse, was ermöglicht, den endfunktionalisierten Poly(ethylenglykol)-Synthesebaustein quantitativ rückzugewinnen. TREN: Tris(2-aminoethyl)amin.50)

Neale, Plajer und Mitarbeitende forschten zu depolymerisierbaren Materialien und fokussierten sich auf die Polymerisationskatalyse der ringöffnenden Copolymerisation von Oxetan und CS2; dabei erlaubte die Metastabilität der resultierenden semikristallinen Materialien, cyclische Dithiocarbonatmonomere rückzugewinnen.51)

Für reine Kohlenwasserstoffrückgrate gilt katalytisches Cracken als Möglichkeit zum chemischen Recyclen. Vollmer, Weckhuysen und Mitarbeitende untersuchten, wie hohe Molekulargewichte auf die Mobilität des Katalysators wirken; sie schlugen vor, zunächst die Viskosität zu senken, um den Prozess effizienter zu machen.52)

Neben chemischem ist mechanisches Recycling wichtig für eine grüne Kunststoffindustrie. Von Vacano und Türkoglu untersuchten den Mechanismus des mechanischen Recyclings von Poly(propylen) (PP), wobei die Materialqualität häufig unter molekularen Schäden leidet; sie fanden Additive, die stabilisierend wirkten und die Zahl der PP-Kettenbrüche verringerten.53)

Simulation und Charakterisierung

Computergestützte Aufklärung von Mechanismen sowie die Korrelation chemischer und mesoskopischer Strukturen mit spezifischen Materialeigenschaften trugen in diesem Jahr sowohl zu anwendungsbasierter als auch zur Grundlagenforschung in verschiedenen Themengebieten bei. Deglman, Plajer und Mitarbeitende klärten den Mechanismus einer von ihnen durchgeführten lithiumkatalysierten sequenzspezifischen Ringöffnungs-Terpolymerisation auf; diese könnte dazu beitragen, alkalimetallkatalysierte Ringöffnungspolymerisationen zu verstehen.54)

Für Bibliotheken lichtabbaubarer Hydrogele entwickelten Friederich, Levkin und Mitarbeitende eine durch maschinelles Lernen unterstützte Designmethode mit anschließendem Hochdurchsatz-Screening der Kandidaten.55)

Neudecker und Team beschrieben mechanoresponsive Polymere und entwickelten ein Multiskalenmodell; darin verbanden sie makroskopische und molekulare kraftinduzierte Prozesse, um mechanochemische Reaktionen in Polymeren besser zu verstehen und vorherzusagen.56)

Kukharenko und Mitarbeitende untersuchten Glasübergangstemperaturen (Tg) in Polymeren und entwarfen eine auf Molekulardynamiksimulationen basierende Methode, die mit wenigen gegebenen Materialparametern Tg für ein bestimmtes Polymer vorhersagte.57)

Während sich die Dicke kristalliner Phasen in semikristallinen Polymeren über Röntgenstreuung feststellen lässt, ist die quantitative Analyse amorpher Phasen komplexer. Thurn-Albrecht und Mitarbeitende stellten den Effekt von Kettenverschlingungen für die Dicke amorpher Phasen heraus und demonstrierten eine materialspezifische quantitative Methode für deren Bestimmung.58)

Wie Floudas und Mitarbeitende beobachteten, werden semikristalline Polymere unterhalb ihrer Schmelztemperatur unter Einwirkung starker Kapillarkräfte kontraintuitiv zu gewissem Grad viskos: Sie fließen, ohne zu schmelzen. Dies erkannte das Team bei der Untersuchung von Nanoporen, in die die Polymere hineingezogen wurden, und fand dabei, dass die kristalline Struktur erhalten blieb (Abbildung 7).59)

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Fließverhalten semikristalliner Polymere unter Einwirkung starker Kapillarkräfte. Links: Das Quellen wird beeinflusst von der lamellaren Orientierung. Mitte und rechts: Rasterkraftmikroskopaufnahmen zeigen kristalline Lamellen innerhalb der Nanoporen.59)

Drei Fragen an den Autor: Robert Göstl

In welchem Gebiet erwarten Sie in den nächsten zwölf Monaten die größten Entwicklungen und warum?

Komplexe Materialsysteme sind nicht leicht zu beschreiben, weswegen datengetriebene rechnerische Methoden noch bedeutender für Multiskalen- und Multiparameterpolymere werden.

Welcher Trend ist in den letzten zwölf Monaten aufgekommen, den Sie so nicht erwartet haben?

Es gab kürzlich bedeutende Innovationen in der additiven Fertigung von Polymeren, was besonders durch kreative Chemie forciert wird. Es ist schön zu sehen, dass vermeintlich reife Techniken so viel Potenzial für Neues bieten.

Was würden Sie gerne entdecken oder herausfinden?

Ich würde gern ein synthetisch einfaches und skalierbares molekulares Motiv entdecken, dass dennoch komplexe Funktionalität ermöglicht. Notwendig ist dafür serielles oder paralleles Verknüpfen exogener Stimuli, um Responsivität in Polymere einzuführen. Dazu kommt komplexes molekulares Design der funktionalen Elemente.

Robert Göstl, Jahrgang 1986, ist seit 2024 Professor für Nachhaltige Makromolekulare Chemie an der Bergischen Universität Wuppertal. Von 2017 bis 2024 hat er eine unabhängige Forschungsgruppe am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien geleitet und sich 2023 an der Universität Aachen habilitiert. Seine Gruppe untersucht mechano- und photoresponsive Polymermaterialien. Den Trendbericht schrieb er als Reimund-Stadler-Preisträger. goestl@uni-wuppertal.dehttps://media.graphassets.com/jy9VBm8RjSJLnWVzhBdM

Die drei Fragen wählen die Autor:innen aus einem redaktionell erstellten Fragenkatalog.

Drei Fragen an die Autorin: Sonja Storch

Welche Methode hat sich in den letzten zwölf Monaten aus Ihrer Sicht am meisten weiterentwickelt?

Die Zahl autonomer polymerbasierter Systeme wächst. Sensoren, künstliche Zellen und weiche Robotik führen zu Neuerungen für selbstregulierende Prozesse, Rückkopplungsmechanismen und der Möglichkeit, synthetische und biologische Komponenten zu kombinieren.

Welche Methode wurde in den letzten Monaten vermehrt genutzt, die auch Sie für Ihre Forschung brauchen?

Kugelmühlen finden mittlerweile Anwendung in der Polymerchemie, um Polymere aufzubauen, und zum mechanischen oder chemischen Recycling. Kombiniert mit responsiven Materialien könnte das synergistisch wirken und sich als hilfreich, um Reaktionsmechanismen aufzuklären.

Ihre Forschung in 140 Zeichen?

Mechanoresponsive Verbindungen überstehen hohe Temperaturen bei der Kunststoffverarbeitung und lassen sich in technisches Material einbauen.

Sonja Storch promoviert seit dem Jahr 2023 in Chemie an der Universität Aachen und am DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien in der Arbeitsgruppe von Robert Göstl. Dort entwickelt sie thermisch stabile optische Kraftsonden für technische Polymermaterialien. Den Trendbericht schrieb sie gemeinsam mit Robert Göstl. storch@dwi.rwth-aachen.dehttps://media.graphassets.com/kDXeyhbRiuKlS4ARGLSJ

Die drei Fragen wählen die Autor:innen aus einem redaktionell erstellten Fragenkatalog.

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