Bildung + Gesellschaft

<p>Kurioses, Erstaunliches, &Uuml;berraschendes &mdash; was vor 50 Jahren in den &bdquo;Nachrichten aus der Chemie&ldquo; stand, die damals noch &bdquo;Nachrichten aus Chemie und Technik&ldquo; hie&szlig;en.</p>

Vor 50 Jahren

<h2>September 1969</h2><p>Auf dreieinhalb Seiten berichtete das Septemberheft der Nachrichten aus Chemie und Technik über „Chemische Probleme der Meeresforschung“. Ein großes Thema darin:</p><div><img src="https://media.graphcms.com/65EpfU16TRWWRk6SR8vx">

</div><p></p><p>Die damals benannten Umweltprobleme: halogenierte Kohlenwasserstoffe, „Pesticide“, „Tetraäthylblei“, Rohöl und dessen Verbrennungsprodukte, „d.h. Kohlendioxid, Kohlenmonoxid, Stickstoff- und Schwefelverbindungen sowie Ascheteilchen“.</p><div><img src="https://media.graphcms.com/4DrUKPIkSR6Fs8dBGomc">

</div><p></p><p>Chemisches Laboratorium im deutschen Forschungsschiff „Meteor“, aufgenommen bei Untersuchungen im indischen Ozean (Foto: Institut für Meereskunde, Kiel).</p><p>Mitglieder der GDCh haben Zugriff auf sämtliche Nachrichten-Jahrgänge –</p><p>bis zurück zur ersten Ausgabe der GDCh-Mitgliederzeitschrift aus dem Jahr 1953, und zwar über <ext-link ext-link-type="uri"><a href="https://www.gdch.de/nachrichten" target="_blank">www.gdch.de/nachrichten</a></ext-link> und „mygdch“.</p>

Meldung

September 1969Auf dreieinhalb Seiten berichtete das Septemberheft der Nachrichten aus Chemie und Technik über „Chemische Probleme der Meeresforschung“. Ein großes Thema darin: Die damals benannten Umweltprobleme: halogenierte Kohlenwasserstoffe, „Pesticide“, „Tetraäthylblei“, Rohöl und dessen Ve...

Prof.Dr.

<p>Wenn man sich die zahlreichen Versionen des Periodensystems ansieht, bekommt man den Eindruck, dass der f-Block dort platziert werden darf, wo gerade Platz ist oder es schön aussieht. Doch für den radiophilen Anorganiker gibt es nur eine richtige Position.</p>
<p>Dann mach‘ das doch einfach, wie du möchtest …“ Sätze wie diese hört man in den exakten Naturwissenschaften selten. Man stelle sich vor, der Gebrauch der Schutzbrille im Labor hinge vom subjektiven Bedrohungsempfinden ab oder die Reihenfolge von zuerst Wasser, dann Säure bliebe einem Münzwurf überlassen. Niemand würde die oft strapazierte Phrase der Freiheit der Wissenschaft dahingehend interpretieren, dass man sich die Freiheit herausnehmen dürfe, Fakten und Erkenntnisse aus jahrzehntelanger Erfahrung nach Belieben zu modifizieren.</p><p>Wie sind wir eigentlich auf die Idee gekommen, das Periodensystem nach künstlerischen Aspekten zu gestalten? Doch, das gibt es, noch dazu im Jahr des Periodensystems.</p><h2>Aus der Geschichte lernen</h2><p>Als der junge Glenn T. Seaborg mit seinen Arbeiten zu den Actinoiden begann, stand er mit seiner Meinung zunächst allein auf weiter Flur. Kaum jemand teilte Seaborgs Ansicht, dass die damals bekannten Actinoiden Actinium, Thorium, Protactinium und Uran mit den Lanthanoiden verwandt wären und somit zu den f-Block-Elementen gehören. Die chemischen Eigenschaften passten einfach viel zu gut zu den Übergangsmetallen. Das dreiwertige Actinium passte hervorragend zu Scandium, Yttrium – und Lanthan; das rein vierwertige Thorium passte viel besser zu Titan, Zirkonium und Hafnium als zu dem primär dreiwertigen (und nur unter stark oxidierenden Bedingungen vierwertigen) Cer.</p><p>Die Ähnlichkeit des hauptsächlich fünfwertigen Protactiniums mit der 5. Gruppe (Vanadium, Niob und Tantal) war augenfällig, während das analoge Lanthanoid Praseodym ausschließlich dreiwertig vorkommt. Selbst beim vorzugsweise sechswertigen Uran gibt es noch eine gewisse Ähnlichkeit zur Chromgruppe, beim darüberliegenden Neodym nicht.</p><p>Während bei den leichteren Actinoiden die f-Elektronen an der chemischen Bindung ganz oder teilweise mitwirken, zeigen erst die schwereren, künstlichen Actinoide ab Americium das von den Lanthanoiden bekannte Muster der dominanten Dreiwertigkeit.</p><p>Nun verstehen wir auch, weshalb sich so viele Koryphäen der Nuklearchemie an der Entdeckung der Kernspaltung die Zähne ausgebissen haben. Fängt ein Kern ein Neutron ein, so entsteht in der Regel ein Beta-Minus-Strahler, der in das Element mit der nächsthöheren Ordnungszahl zerfällt. Im Periodensystem äußert sich das durch einen Sprung nach rechts.</p><p>Da das Uran bis in die späten 1930er Jahre das schwerste bekannte Element darstellte, lag die Frage nahe: Was kommt danach? Das Rennen war eröffnet, und mehrere Gruppen arbeiteten wie besessen daran, Spuren eines neuen Elements mit der Ordnungszahl 93 herzustellen.</p><p>Da einzelne Atome jedoch chemisch nicht fassbar sind, musste ein Träger zufügt werden, der dem neuen Element in seinen Eigenschaften möglichst ähnlich sein sollte. Das neue Element 93 sollte so gemeinsam mit seinem Träger von anderen Bestandteilen abgetrennt werden. Da das Uran der 6. Gruppe zugeordnet wurde, erschien es logisch, das neue Element in der 7. Gruppe zu verorten. Diese Gruppe jedoch war eine voller Lücken und Phantome: Das Element unterhalb des Mangans, Technetium, war noch nicht entdeckt. Das darunterliegende Rhenium war gerade erst gefunden worden, für den Laborgebrauch stand nicht genug zur Verfügung.</p><p>So plagten sich Irène Curie und Paul Savitch sowie die Fermi-Gruppe mit mangangeträgerten Lösungen, um das neue Element zu isolieren. Doch dies funktionierte nicht. Tatsächlich hat Element 93 (Neptunium) herzlich wenig mit Mangan gemein.</p><p>Die Berliner Gruppe um Lise Meitner, Otto Hahn und Fritz Straßmann wagte schließlich einen verwegenen – vielleicht auch verzweifelten – Versuch: Sie trägerten das bestrahlte Uran mit Bariumsalzen in der Hoffnung, vielleicht künstlich erzeugtes Radium zu isolieren. Hahn hatte gemutmaßt, das Uran könnte, vom Neutron gekitzelt, vielleicht zwei Alphateilchen emittieren, wodurch Radium entstünde. Dabei stellten sie fest: Es entstand nicht etwas, das sich wie Barium verhielt – es entstand tatsächlich Barium. Der Urankern war „zerplatzt“, wie es Otto Hahn in einem Brief an Meitner beschrieb. Auch wenn die Ehrung nur einem Mitglied des kongenialen Trios zuteil wurde: Es war ein würdiger Nobelpreis – in Chemie.</p><h2>Das Internet hat immer recht</h2><p>Ein Blick ins Internet eröffnet uns die Variationsbreite, mit der das Periodensystem dargestellt wird (Abbildung oben). Analysieren wir die Treffer der Suche nach „Periodensystem“ auf der ersten Seite der Bildersuche bei <a href="https://google.de" target="_blank">google.de</a> und teilen wir die Ergebnisse in drei Kategorien ein:</p><figure><img src="https://media.graphcms.com/lyWV05gPR4WKpvfihoAW"><figcaption><label>Abb. 1: </label>Wo steht in online verfügbaren Periodensystemen der f-Block – in Position A oder beliebigen Varianten von B oder C? Die Statistik dazu steht rechts. Nach Auffassung des Autors ist A die einzig richtige Version.</figcaption></figure>
<p><list list-type="simple"><list-item></list-item></list></p><p>Kategorie A mit dem f-Block beginnend unterhalb der dritten Gruppe,</p><list-item><p>Kategorie B mit einem nach links verschobenen f-Block und</p></list-item><list-item><p>Kategorie C mit einem nach rechts verschobenen f-Block.</p></list-item><p></p><p>Andere Varianten wie die Langform des Periodensystems sollen hier nicht näher beleuchtet werden. Periodensysteme, die auf die Darstellung des f-Blocks gänzlich verzichten, kann der Anorganiker eigentlich nur als Beleidigung werten, sie werden hier nicht weiter gewürdigt.</p><p>Von den 100 ersten Treffern entfallen nur beschämende 52 auf Kategorie A, 42 auf Kategorie C und 6 auf Kategorie B (wobei sich das interaktive Periodensystem der GDCh dieser Kategorie anschließt: <a href="https://www.gdch.de/service-information/jahr-des-pse/periodensystem-im-ueberblick.html" target="_blank">www.gdch.de/service-information/jahr-des-pse/periodensystem-im-ueberblick.html</a>). Offensichtlich springt bei vielen Grafikern der reflexhafte Suchmodus nach einem symmetrischen Abschluss an, woraufhin Lutetium und Lawrencium (gegen ihren Willen) unterhalb der Edelgase positioniert werden.</p><h2>Was sagt die Iupac?</h2><p>Zum Glück haben wir Chemiker eine Institution, die die wichtigsten Dinge des Chemikerlebens normiert und regelt: die International Union of Pure and Applied Chemistry, kurz Iupac. Doch auch hier traut man seinen Augen kaum: Während das bis Ende 2015 gültige Periodensystem noch korrekt war, wurde ausgerechnet das Jubiläumsperiodensystem zum Internationalen Jahr grob verunstaltet (Abbildungen S. 10 oben). Offenbar war die Positionierung des Iupac-Logos unterhalb der 1. und 2. Gruppe wichtiger als die inhaltliche Richtigkeit.</p><div><img src="https://media.graphcms.com/ss3jtOfoQsOBsIL0amaI">

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</div><p></p><figure><img src="https://media.graphcms.com/MfnXu5YCR62lKEm1Yvku"><figcaption><label>Abb. 2: </label>Wandernder f-Block: verschiedene Kompaktversionen des Periodensystems der letzten Jahre. GDCh, Iupac bis 2015 (oben in hellgrün), Iupac heute (links), Royal Society of Chemistry (RSC, unten) und American Chemical Society (ACS, ganz rechts).</figcaption></figure>
<p>Doch die Iupac ist nicht alleine: Auch der Isotope Browser der Internationalen Atomenergiebehörde, IAEA, das Alfa-Aesar-Wallpaper-Periodensystem und sogar das Handbook of Chemistry and Physics (84. Auflage) verzichten darauf, den f-Block richtig zu positionieren. Schlimmer jedoch ist, dass zahlreiche Lehrbücher das Periodensystem falsch darstellen. Schülern sind die Zusammenhänge noch nicht klar, und ihnen fehlt die nötige Intuition, um über diese Unsauberkeit hinwegzusehen. Tatsächlich war das fehlerhafte Periodensystem im Lehrbuch meiner Nichte Anlass für diesen Beitrag.</p><h2>Freiheit für alle Elemente</h2><p>Wenn es wirklich egal ist, ob Cer und Thorium unter ihrem alten Freund Hafnium stehen sollen oder doch lieber (gefühlt) unterhalb des Bismuts platziert werden dürfen, schlage ich vor, das Periodensystem wie folgt zu revolutionieren: Platin (vom Spanischen platina – kleines Silber), Silber und Quecksilber würden eine schöne Gruppe abgeben. Durch den Gebrauch von Gänsefüßchen ließe sich dann bei Queck – “ – wertvolle Druckertinte sparen. Ein persönliches Anliegen wäre es mir auch, die beiden am häufigsten falsch ausgesprochenen Elemente Lithium und Promethium in einer Gruppe zusammenzufassen.</p><p>An dieser Stelle sei unter Wahrnehmung meines Bildungsauftrags darauf hingewiesen, dass sich Lithium vom griechischen líthos, der Stein, ableitet, und Prometheus für den Diebstahl des Feuers und dessen Weitergabe an die Sterblichen mit einem eigenen Element geadelt wurde. Der Titan (nicht das Element!) Prometheus zog sich durch seine oxidative Hehlerei Zeus‘ Zorn zu – und nicht etwa für namensrechtliche Verfehlungen, die ein anmaßendes und götterväterblasphemisches „Promezeus“ wahrscheinlich nach sich gezogen hätte. Wer immer noch meint, dass „th“ wie „z“ ausgesprochen wird, möge sich eine schlagfertige Antwort bei Zomas Gottschalk abholen.</p><p>Weiters würden Bohrium und Bor eine ebenso logische Gruppe ergeben, wie Chlor (griechisch für hellgrün) und Praseodym (griechisch für lauchgrüner Zwilling) farblich zusammenpassen.</p><p>Nein – lassen wir (fast) alles, wie es ist. Nur einigen wir uns doch bitte auf die Positionierung des f-Blocks innerhalb des Periodensystems mit Lanthan unterhalb von Yttrium. Die Freiheit der Kunst ist zwar ein hohes Gut, in der Chemie aber nur, solange sie der Logik nicht in die Quere kommt.</p><p>Lesen Sie zu dieser Diskussion auch den Leserbrief in diesen Nachrichten auf S.74.</p><h2>Autor</h2><p>Georg Steinhauser ist seit 2015 Professor am Institut für Radioökologie und Strahlenschutz der Universität Hannover. Bis heute verwendet der Absolvent der Technischen Universität Wien das Periodensystem aus Fredi Mosers Gymnasialchemielehrbuch „Allgemeines und Anorganisches Testament.“ Oder war das Religion?</p><div><img src="https://media.graphcms.com/0u8UzWGVRhK3W3qU9jge">

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