Gesellschaft Deutscher Chemiker

Artikel

Wissen und Erfahrung weitergeben

Nachrichten aus der Chemie, Mai 2025, S. 32-33, DOI, PDF. Login für Volltextzugriff.

Von Wiley-VCH zur Verfügung gestellt

In Mentoring-Programmen erlernen Unerfahrene Fähigkeiten, die für ihre Karriere wichtig sind, und erfahren, wie sie ihre Stärken gezielt einsetzen. Dabei unterstützen Mentor:innen sie passiv oder aktiv, ihren Weg zu finden. Damit das gelingt, braucht die Beziehung neben realistischen Zielen Vertrauen, klare Grenzen und Regeln.

Beim Mentoring gibt eine erfahrene Person (Mentor:in) ihr Fach- und Erfahrungswissen an eine weniger erfahrene Person weiter (Mentee).

https://eu-central-1.graphassets.com/Aype6X9u2QGewIgZKbFflz/cma242cy1485y08ulju8qzm4s
Bild: nali / Adobe Stock

In einer exklusiven Tandem-Beziehung (One-on-One-Mentoring) liegt der Fokus auf genau einem Mentee. Im Gruppen-Mentoring unterstützt ein:e Mentor:in mehrere Mentees. Wer in einer Gruppe eher zurückhaltend ist, öffnet sich hierbei möglicherweise weniger als in einer Tandem-Beziehung, kann aber von zusätzlichen Perspektiven profitieren. Beim Peer-Mentoring tauschen sich Gruppenmitglieder der gleichen Karrierephase aus, etwa Doktorand:innen, die situationsabhängig zwischen Mentor:innen- und Mentee-Rolle wechseln.

Programme der GDCh

Seit 2014 bereitet das One-on-One-Mentoring-Programm CheMento Nachwuchskräfte praxisnah auf die Anforderungen im Berufsleben vor. Das Programm soll Karrierechancen Studierender und Promovierender kurz vor dem Abschluss erhöhen und den Übergang ins Berufsleben erleichtern. Dazu bewerben sich potenzielle Mentees und Mentor:innen beim GDCh-Karriereservice, der nach fachlicher und beruflicher Orientierung, persönlicher Entwicklung und räumlicher Distanz kombiniert. Alle zwei Jahre werden 30 Mentor:in-Mentee-Tandems gebildet. CheMento hat außerdem ein Rahmenprogramm mit Networking-Möglichkeiten. Die ehrenamtlichen Mentor:innen kommen aus Wissenschaft und Industrie.

Seit 2023 bietet auch das JCF-Team Mentale Gesundheit ein Mentoring-Programm an: „Mental Mentor – Gemeinsam in der Chemie“. Hier sollen sich Studierende und Promovierende der Chemie eins zu eins austauschen. Erfahrene Studierende und Promovierende teilen ihr Wissen mit weniger fortgeschrittenen Studierenden, die beispielsweise Prüfungsangst oder hohen Erwartungsdruck im Studium haben, Machtmissbrauch oder Motivationsprobleme erleben. Das kostenlose Programm können Studierende unabhängig von Alter, Noten oder Studienort wahrnehmen. Mental Mentor ersetzt keine professionelle Therapie, gibt den Mentees aber wertvolles Praxiswissen mit, ermutigt und bestärkt. Das Programm soll die Freude an der Chemie erhalten und das anspruchsvolle Studium angenehmer gestalten. Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Mentor:in und Mentee ist dabei entscheidend.

Was eine erfolgreiche Mentoring-Beziehung auszeichnet

Eine erfolgreiche Mentoring-Beziehung basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Dafür sind klare und realistische Ziele entscheidend, die zu Beginn zu erarbeiten, aber im Laufe des Programms an die Bedürfnisse anpassbar sind. Mentor:in und Mentee sollten respektvoll miteinander umgehen, verbindlich sein und sich auf Augenhöhe begegnen. Neugierde und Offenheit für neue Perspektiven sind genauso wichtig wie Lebensentwürfe zu akzeptieren, die anders sind als der eigene. Im Austausch sollten beide Seiten ehrlich und authentisch sein. Da sich sowohl Mentee als auch Mentor:in öffnen und dadurch verletzlich machen, ist Verschwiegenheit entscheidend.

Eine erfolgreiche Beziehung entsteht nicht ohne Engagement. Mentees sollten sich aktiv in die Mentoring-Beziehung einbringen, indem sie ihre Themen ansprechen und gemeinsame Treffen vorbereiten. Sie müssen aber auch akzeptieren, dass Mentor:innen keine Lösungen mit Erfolgsgarantie liefern können.

Anforderungen

Gute Mentor:innen sind geduldig, empathisch und nehmen Anliegen und Probleme ihrer Mentees ernst. Sie sollten ihr Fach- und Erfahrungswissen ehrlich und aufrichtig teilen. Der Austausch ist keine Plattform zur Selbstdarstellung; gute Mentor:innen hören aktiv zu und nehmen sich selbst zurück. Sie dürfen und müssen ihren Mentees gegenüber Grenzen definieren, beispielsweise Wochentage festlegen, an denen sie für einen Austausch nicht verfügbar sind. Zudem sollten sich Mentor:innen bewusst sein: Nicht für alle Probleme lässt sich eine Lösung finden.

Obwohl Mentor:innen die Rolle der erfahrenen Person einnehmen, dürfen auch sie sich Hilfe holen. Sie müssen akzeptieren und respektieren, wenn Mentees Ratschläge nicht annehmen und Herausforderungen anders angehen, als sie selbst es tun würden. In diesen Situationen zeichnen sich gute Mentor:innen durch Vertrauen in ihre Mentees aus und lernen loszulassen, wenn ihre Unterstützung nicht mehr benötigt wird.

Rollen

Mentor:innen können mehrere Rollen einnehmen, zwischen verschiedenen wechseln oder sich auf eine Rolle festlegen. Welche es wird, hängt ab vom Charakter der Mentor:innen, der Mentees und der Natur der Mentoring-Beziehung. So eignet sich eine eher nüchterne, beratende oder eine belehrende Rolle besonders für reines Karriere-Mentoring. Mentor:innen können aber auch freundschaftlich oder ermutigend agieren, eine „helfende Hand“ oder ein großes Geschwister sein. Auszumachen, was zum Erfolg der Mentoring-Beziehung beiträgt, ist oft schwierig – dies bedarf Empathie und Erfahrung.

Warum sich engagieren?

Indem sie an einem Mentoring-Programm teilnehmen, erweitern Mentor:innen ihr eigenes Netzwerk und bekommen Einblicke in aktuelle Forschung. Dazu gibt es frische Ideen und Impulse oft jüngerer Menschen, und sie können ihre Sozialkompetenzen trainieren. Ein Perspektivwechsel kann helfen, die eigenen Arbeitsweisen und Entscheidungen zu reflektieren. Und es kann erfüllend sein, anderen auf ihrem Weg zu helfen und Erfolge gemeinsam zu feiern.

Grenzen

Mentor:innen ersetzen kein Elternteil, sind weder Ärzt:innen noch Therapeut:innen und keine Enzyklopädie. Diese Rollen kann und soll ein:e Mentor:in nicht einnehmen. Mentor:in und Mentee sollten zu Beginn der Mentoring-Beziehung festlegen, wie oft und in welcher Form sie sich austauschen. Diese Regeln müssen beide Seiten akzeptieren. Die Mentoring-Beziehung wird freiwillig eingegangen und sollte keine belastende Verpflichtung sein. Mentor:in und Mentee können jederzeit die Beziehung auflösen, wenn gegen festgelegte Regeln verstoßen wird oder Erwartungen nicht erfüllt werden.

Einblick: Erfahrungen der Autorin

Meine persönliche Erfahrung als Mentee im CheMento-Programm war äußerst positiv und prägend für meine persönliche und berufliche Entwicklung. Ich hatte einen Mentor, mit dem ich schnell eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut habe und der mich konstant zum Nachdenken über meine persönlichen Stärken und Ziele gebracht hat. Das war gleichzeitig fordernd und fördernd. Gemeinsam haben wir erarbeitet, welche Tätigkeiten mich beruflich erfüllen würden. Das hat mich selbstbewusster und stärker gemacht. Neben dem regelmäßigen Austausch mit meinem Mentor und einem Arbeitsplatz-Shadowing haben mir die Treffen mit den anderen Mentees große Freude bereitet.

Als Mentee im CheMento-Programm habe ich von der beratenden und unterstützenden Rolle meines Mentors profitiert, die oft auch freundschaftlich war.

Als Mentorin im Ausbildungscampus Stuttgart unterstütze ich junge Menschen mit Migrationsbiografie bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung in Deutschland, lerne mit ihnen für Prüfungen und helfe mit Behördenschreiben. Hier nehme ich oft die Rolle einer großen Schwester ein – manchmal streng, oft freundschaftlich, aber nie bevormundend.

How to: Passende Mentor:innen finden

Neben der GDCh haben viele Hochschulen und Universitäten Mentoring-Programme für verschiedene Zielgruppen. Informier dich über Ablauf und Inhalte der Programme bei den Organisator:innen oder frag ehemalige Mentees nach ihren Erfahrungen, um so das Programm zu finden, das zu dir passt. Mach dir vorher bewusst, welche Ziele du erreichen möchtest. In den meisten Mentoring-Programmen übernehmen die Organisator:innen das Matching von Mentor:in und Mentee. Es basiert auf gleichen Themenschwerpunkten, ähnlichen Erfahrungen oder regionaler Nähe. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Mentor:in und Mentee eine vertrauensvolle und konstruktive Beziehung aufbauen.

Und wenn es nicht klappt? Dann verlier nicht den Mut, geh aktiv auf Leute zu, deren Beruf dich fasziniert, die einen ähnlichen Lebensweg wie du haben oder deren Charakter du bewunderst. Das können fortgeschrittenere Doktorand:innen oder Wissenschaftskolleg:innen sein, Chemiker:innen, die du bei Stammtischen kennenlernst, oder fachfremde Personen, die eine Perspektive von außen bieten. Oder gründe dein eigenes Peer-Mentoring mit Freund:innen und Kommiliton:innen.

Die Autorin

Die promovierte Chemikerin Leonie Reinders arbeitet seit Juni 2024 als Applikationsspezialistin für Rheologie bei Anton Paar Germany in Ostfildern. Ihre Schwerpunkte sind Training, Fort- und Weiterbildung. Neben Mentoring liegt ihr verständliche Wissenschaftskommunikation am Herzen, und sie liebt die Sendung mit der Maus.https://eu-central-1.graphassets.com/Aype6X9u2QGewIgZKbFflz/cma242ez64dtu07um89qowbk3

Bildung + GesellschaftSchlaglicht Chancengleichheit

Überprüfung Ihres Anmeldestatus ...

Wenn Sie ein registrierter Benutzer sind, zeigen wir in Kürze den vollständigen Artikel.